Was hat es gebracht, dass Angela Merkel (CDU) vor einer Woche mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko telefoniert hat? Die meisten Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze fristen weiter ein trauriges Dasein in einer Notunterkunft. Nur 118 Migranten sind zurückgekehrt in ihre Heimatländer. Lukaschenko selbst fordert von der EU inzwischen nicht nur Geld für die Versorgung der Flüchtlinge, sondern auch Geld, um den Flüchtlingsstrom, den er selbst ausgelöst hat, zu stoppen. Er fühlt sich aufgrund der Telefonate mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin bestätigt.
Wer zweimal mit dem Falschen spricht...
Sein Plan, die EU moralisch zu erpressen, scheint aufgegangen zu sein. Mag Merkel auch demonstrativ mit der belarussischen Oppositionsführerin gesprochen haben. Wer zweimal mit dem Falschen spricht, hat sein außenpolitisches Kapital verspielt. Bitter, dass ausgerechnet Merkel, der erfahrenen Machtpolitikerin von Weltformat, dieser Fehler unterlaufen ist. So kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit.
Umso wichtiger ist es, dass der Mann der Zukunft, der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die polnische Position beim Grenz-Konflikt unterstützt. In Polen, wo man über Merkels Verhalten besonders irritiert war, hat man dies dankbar zur Kenntnis genommen. Die polnische Regierung hat eingesehen, dass man zwar souverän, aber nicht allein durch den Winter des belarussischen Missvergnügens stapfen darf. Warnungen von US-Geheimdiensten, dass der eigentliche Drahtzieher der Krise, der russische Präsident Wladimir Putin, schon sehr bald die Ukraine angreifen könnte, haben Warschau bei diesem Lernprozess geholfen.
Der belarussisch-polnische Grenzkonflikt würde in einem solchen Fall nur scheinbar in den Hintergrund treten. Die Notwendigkeit einer europäischen Phalanx im Einklang mit der Nato nähme sogar noch zu. Inklusive der Notwendigkeit abgestimmter Telefonate.
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