Markus Söder

Markus Söder: Mann der Bilder

Keiner der Politiker aus der ersten Reihe in Deutschland kann sich öffentlich so gut inszenieren wie Markus Söder. In seinem Spiel mit den Bildern geht es nicht nur darum, die öffentliche Bühne zu dominieren, Ziel ist es auch, dass sich bestimmte Rollenbilder von ihm dauerhaft in den Köpfen seiner Wähler festsetzen. Das zeigte auch der CSU-Parteitag. Nebenbei ging es dort auch um das neue Grundsatzprogramm der Partei.
Patronatstag der bayerischen Gebirgsschützen
Foto: Uwe Lein (dpa) | Ein Beispiel aus dem Söderschen Bilderreigen: Der Bayerische Ministerpräsident in der Pose des „Pater patriae“ beim Festgottesdienst der Gebirgsschützen zu ihrem Patronatstag am vergangenen Sonntag in Gmund am Tegernsee.

Ist Markus Söder schon auf dem Weg zum Ersatzkini? Diese Frage stellt sich am Samstagmorgen in der Nürnberger Messe nicht nur deswegen, weil ja tatsächlich mehr oder weniger zeitlich parallel in London ein echter König gekrönt wurde. Gewiss, dass es zu solchen Szenen kommt, wie einst bei Franz Josef Strauß selig, dem zumindest als Mythos noch allseits präsenten CSU-Übervater, ist es noch lange hin. Dem hatten einst Anhänger tatsächlich eine Krone überreicht, die dieser sich dann, freilich lachend und feixend, auch auf den Kopf setzte. Eine ähnliche Abordnung, die auf Söder zusteuerte, war in Nürnberg nicht in Sicht. Aber dass er zum Machtzentrum seiner Partei und auch des Freistaates geworden ist, daran scheint es kaum noch Zweifel zu geben.

Beispiel Spitzenkandidatur für die Landtagswahl: Keine Gegenstimme, keine Enthaltung – alle für Söder. Und das in offener, keiner geheimen Wahl. Man fühlt sich ein wenig an das Wahlkönigtum einiger germanischer Stämme zur Zeit der Völkerwanderung erinnert. Die wurden von der Heeresversammlung einfach per Akklamation bestimmt. Mancher Beobachter denkt mit Blick auf Söder zunächst vielleicht an andere Zeitepochen: „La  Bavière, c'est moi!“ Aber ob die Södersche Regentschaft einst in weiß-blauen Geschichtsbüchern als „Sonnenkönigtum“ beschrieben werden wird, ist noch lange nicht ausgemacht.

Söders Ehrgeiz dürfte angefacht sein

Denn erst einmal gilt es, einen Sieg zu erringen. Die CSU belegt zwar bei den Umfragen stabil den ersten Platz. Je nach Institut liegt sie bei 41 bis 42 Prozent. Das wäre ein besseres Ergebnis als beim letzten Mal, wo die Christsozialen lediglich 37,2 Prozent aufbieten konnten. Aber die Maßstäbe, zumindest dann, wenn man sich einen Platz im Partei-Olymp sichern will, liegen bei der CSU woanders. 50 Prozent plus x – die alte Marke scheint heute selbst unter besten Voraussetzungen kaum einzulösen. Von legendären Ergebnissen zu Zeiten von Alfons Goppel, der 1974 62,1 Prozent erzielte, ganz zu schweigen. Und auch Platz zwei auf der Rangliste der größten schwarzen Wahlerfolge, Stoibers 60,3 Prozent im Jahre 2003, scheint heute aus einer anderen Dekade zu stammen. Aber auch Horst Seehofer holte schließlich, bisher zum letzten Mal, eine absolute Mehrheit, das war 2013 (48,7 Prozent).

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Söder muss es also mindestens schaffen, seine Partei stabil in der 40-Prozent-Zone zu platzieren. Auch der Hinweis, dass in der veränderten Parteienlandschaft von heute solche Ergebnisse etwas anderes seien als selbst noch vor zehn Jahren, zieht nicht ganz. Söders CDU-Kollege Daniel Günther erzielte in Schleswig-Holstein 43,4 Prozent und auch Anke Rehlinger holte mit ihrer SPD im Saarland 43,5 Prozent. Also mindestens das müsste drin sein. Und der Ehrgeiz von Söder, der bei jedem Ranking gerne genauso wie sein Freistaat ganz oben steht, dürfte entsprechend angefacht sein. Sollte es aber doch anders kommen, dann könnte ihm ein Schicksal drohen, das auch die germanischen Wahlkönige kannten. Sie hatten vor allem im Kriegszeiten eine wichtige Rolle zu spielen. Kamen sie aber ihrer Hauptaufgabe nicht nach, die Truppe erfolgreich durch den Kampf zu führen, dann konnte der Thron ganz schnell zum Schleudersitz für sie werden.

Seine beste Waffe immer dabei

Markus Söder bringt jedenfalls seine beste Waffe in diesen Wahlkampf ein. Es ist sein Sinn für Bilder. Der Ministerpräsident ist schließlich nicht nur studierter Jurist, sondern auch gelernter Fernsehjournalist. Er weiß um die Macht der Bilder. Und er kann mit solchen Bildern eine ganze Geschichte erzählen. Ihre Überschrift: Bayern zuerst. Der Motor der Handlung, das alte Motiv, mit dem die CSU schon immer ihre Wähler mobilisiert hat: Beute machen für Bayern. Wir sind der Primus der Nation und wir werden es auch bleiben – so die einfache Botschaft, die aber, das zeigt der Applaus für Söders Grundsatzrede in der Nürnberger Messe, den Nerv des Parteivolkes trifft. Das Motto lautet hier: Wir gegen die Anderen. Hier die „Bayernkoalition“ mit den Freien Wählern, die erfolgreich und solide ihre Arbeit macht, dort die Ampel und die Berliner Chaos-Republik.

Die Bayern wollen ein Mannsbild an ihrer Spitze. Das hat Söder begriffen: Also liefert er ihnen Bilder vom Mann: Söder ist facettenreich genug, alle nur möglichen Rollenbilder zu bedienen, die die Bayern ansprechen könnten. Da ist der staatstragende, aber eben auch volkstümliche Auftritt nur einen Tag nach Nürnberg beim Patronatstag der Gebirsgsschützen am Tegernsee. Hier ist Söder ganz der würdige „Pater patriae“. Der Ministerpräsident kann aber auch anders: Am Freitag trat er bei der Vollversammlung des ZdK in München auf und sprach sich dafür aus, dass in der katholischen Kirche auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden sollten. (Siehe dazu auch Seite 10.) Es ist der selbe Söder, der dann einen Tag später in seiner Parteitagsrede in bewegten Worten vom Requiem für Papst Benedikt spricht. Beobachtern mögen hier die zunächst die inhaltlichen Widersprüche auffallen. Aber es geht hier um eine ganz andere Stimmigkeit: Markus Söder ist wie eine Antenne. Er richtet sich auf das aus, was er als gefühlte Mehrheitsmeinung in Bayern wahrnimmt.

Grünen-Bashing und klare Kante gegen linke Kulturkämpfer

Und bei Anwendung dieses Ansatzes ist er auch zu Revisionen bereit: Das Bild, auf dem er einen Baum umarmt hat, um seine grüne Anschlussfähigkeit zu beweisen, gehört zur Vergangenheit. Für seinen Ausruf „Nein zu Schwarz-Grün“, bekommt er beim Parteitag besonders viel Jubel. Auch ansonsten setzt der CSU-Chef jetzt auf eine scharfe Abgrenzung von der Öko-Partei. Hat er doch verstanden: Grünen-Bashing und klare Kante gegen linke Kulturkämpfer – das ist das Bild, das sich CSU-Wähler von ihrem politischen Anführer machen wollen. Und so teilt Söder ordentlich aus: In Anspielung auf eine verunglückte Formulierung der Tagesschau vor einigen Wochen, wo von „entbindenden Personen“ die Rede war, stellt er klar „,Mutter' und ,Mama' sind die schönsten Worte der Welt.“ Die Delegierten jubeln. Ebenso wenn Söder betont, Bayern sei und bleibe auch ein „Autoland“. Gewiss, das sind alles, wenn man so will, rhetorische Kassenschlager im CSU-Repertoire. Söder hat aber mittlerweile begriffen, dass bei der CSU-Stammklientel, der oft beschworenen „Leberkäs-Etage“, die Devise gilt: Oldies, but Goldies. Hier gibt es keine Sehnsucht nach einer „neuen CSU“ oder einer Anbiederung an das grüne Milieu. Vielmehr denkt man über Wokeness und Cancel Culture so, wie es auch Markus Söder in seiner Rede deutlich formuliert: „Schafscheiß“.

Der CSU-Chef ist also seiner Methode treu geblieben, in den Bildern, in denen er sich bei seinen Auftritten als Ministerpräsident im Freistaat in Szene setzt, das Bild widerzuspiegeln, das sich auch die Bayern von ihrem Land machen. Geändert hat sich lediglich seine Einschätzung der Stimmungslage. Sie ist weniger zeitgeistig als es Söder in seiner grünen Phase gedacht hatte.

Und schließlich hat sich noch etwas bestätigt: So sehr die CSU-Politik unter Söder auf Mehrheitsmeinungen ausgerichtet sein mag. In Bayern gehört zumindest das „C“ verbunden mit dem Bekenntnis zum christlichen Menschenbild dazu. Bei dem Parteitag ging es schließlich ja auch um ein neues Grundsatzprogramm. Auch das wurde nahezu geräuschlos einstimmig in Nürnberg verabschiedet.

Doch ein interessanter Akzent wurde doch gesetzt. Im Abschnitt zum Lebensschutz hieß es zunächst: „Die CSU ist Partei des Lebensschutzes. Auch das ungeborene Kind ist Person und hat ein Recht auf Leben. Wir unterstützen Eltern, ,Ja' zum ungeborenen Kind zu sagen. Dies gilt ebenso, wenn eine mögliche Behinderung im Raum steht. Jedes Leben ist wertvoll. Wir stehen zum Paragraphen 218a Strafgesetzbuch und sehen darin einen ausgewogenen Kompromiss zwischen dem Lebensschutz und der Selbstbestimmung der Frau.“ Auf Antrag von Delegierten wurde die Formulierung zum Paragraphen 218 geändert. Nun heißt es, man bekenne sich bloß zu seinem Erhalt. So wird zum Ausdruck gebracht, dass die Aufrechterhaltung des Paragraphen zwar in der jetzigen politischen Situation geboten sei. Es aber letztlich eine Kompromisslösung ist. So wird ein Bekenntnis zum generellen Lebensschutz weiterhin möglich. Auch diese Änderung wurde einstimmig beschlossen. So wird ebenfalls ein Bild erzeugt – und zwar von der CSU-Basis. Es ist, aus christlicher Perspektive, kein schwarzes.

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