„Man braucht einen langen Atem“

In Österreich gibt es bisher keine Abtreibungsstatistik. Die „aktion leben“ hat deswegen die Initiative „Fakten helfen“ gestartet – Generalsekretärin Martina Kronthaler zieht im Interview eine Bilanz. Von Gudrun Trausmuth
"aktion leben" für Abtreibungsstatistik in Österreich
Foto: aktion leben | Die "aktion Leben" ist eine österreichische Bewegung zum umfassenden Schutz menschlichen Lebens von seinem Anfang bis zum Tod. Zur Arbeit des Vereins gehört auch die Beratung von schwangeren Frauen.

Frau Kronthaler, „aktion leben“ hat mit der Parlamentarischen Bürgerinitiative „Fakten helfen“ Unterschriften gesammelt – was bedeutet „Fakten helfen“?

Dass es schwangeren Frauen und Familien gut geht und es zu möglichst wenigen Abbrüchen kommt, ist ein erklärtes Ziel der „aktion leben“. Um endlich seriöses Wissen über die Lage von Schwangerschaftsabbrüchen zu bekommen, initiierten wir die Parlamentarische Bürgerinitiative „Fakten helfen!“. Fast 55 000 Bürgerinnen und Bürger haben das Anliegen einer anonymen Statistik und der wissenschaftlichen Erforschung von Motiven für Abbrüche unterstützt. Es ist tatsächlich völlig absurd, nicht zu wissen, wie viele Abtreibungen es in Österreich jährlich gibt. Mit „Fakten helfen!“ meinen wir, dass wir seriöse Informationen über Anzahl und Hintergründe von Schwangerschaftsabbrüchen brauchen, um sinnvoll präventiv und unterstützend tätig sein zu können. Wir nehmen an, dass es einen Konsens gibt, dass es möglichst wenige Abbrüche geben sollte. Dies ist im Sinne der Frauen, denn keine Frau wünscht sich einfach so eine Abtreibung. Und es ist natürlich im Sinne der ungeborenen Kinder.

Wie wird die Zahl bis jetzt ermittelt?

Österreich begnügt sich bis jetzt mit Schätzungen, die mit 30 000 Abbrüchen jährlich beginnen. Falls die Schätzung realistisch ist, dann wäre Österreich ein Land mit einer sehr hohen Abbruchrate. Im Vergleich dazu weisen Deutschland und die Schweiz die niedrigsten Abtreibungszahlen in Europa auf. Viele Abtreibungen stehen unter anderem für eine Haltung des Wegschauens und der Einstellung, Probleme lieber zu beseitigen als sie auszuhalten oder mitzutragen. Wir erleben immer wieder, dass von schwangeren Frauen in einer schwierigen Situation eher der Abbruch erwartet wird, als das Kind auszutragen. Und wie oft wird tatsächlich Hilfe angeboten für ein Leben mit Kind?

Was sind Ihre konkreten Ziele ?

Die Einführung einer Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und deren jährliche Veröffentlichung. Davon unabhängig eine regelmäßige Erforschung der Motive dafür. Ziel ist, auf Basis der gewonnen Erkenntnisse bedarfsgerechte Angebote zu setzen: mehr Sexualpädagogik, mehr Information über Schwangerenberatung et cetera. Wichtig ist die Differenzierung: Maßnahmen können nur auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden, wenn die Ausgangslage klar ist. Es geht uns um Prävention von Abbrüchen und Hilfen für schwangere Frauen, damit die Geburt eines Kindes nicht an ungünstigen äußeren Umständen scheitert. Für eine anonyme Statistik brauchen wir nur eine einfache Meldepflicht von Abtreibungen, die im Ärzte- und Krankenanstaltengesetz ergänzt werden müsste.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

2016 brachten wir die Unterschriften für „Fakten helfen!“ in das Parlament ein. Nach einer Anhörung unserer Präsidentin Dr. Gertraude Steindl im entsprechenden Ausschuss wurde die parlamentarische Bürgerinitiative dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Nach dem Regierungswechsel Ende 2017 geschah dies erneut. Nun warten wir auf das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss. Idealerweise müsste bei positiver Behandlung grünes Licht für eine Gesetzesvorlage gegeben werden. Man braucht für die Einführung dieser – in anderen Ländern selbstverständlichen – Statistik bei uns einen sehr langen Atem …

Wie stehen die Chancen auf Erfolg?

Es kommt darauf an, wie wichtig der Regierung das Thema ist. Das ist schwer einzuschätzen. Eine anonyme Statistik einzuführen wäre kein besonders großer Aufwand. Die Ärztekammer hat sich in einer Stellungnahme dafür ausgesprochen, und auch das Familienministerium. Wenn weniger Abtreibungen gewollt werden, führt an einer Statistik kein Weg vorbei. Letzten Endes ist es eine Frage der Vernunft und eine Frage der Humanität für alle Beteiligten, sich sachlich und empathisch mit dem Thema Abtreibung zu befassen. Ich wäre gerne zuversichtlich, dass die Chancen gut stehen.

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