Was ein wenig unrealistisch klingt, ist das Tempo, mit dem die Kardinäle Oswald Gracias und Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga die Arbeiten an der Kurienreform jetzt abgeschlossen sehen möchten (siehe Seite 10). Dass der Entwurf der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evanglium“ zur Begutachtung bei den Bischofskonferenzen der Weltkirche liegt, heißt nicht, dass dort überall die nötige Manpower vorhanden ist, um noch in diesem Mai die Expertisen zu einem nicht ganz unkomplizierten Text zu verfassen, zu beschließen und nach Rom zurückzuschicken. Das wäre nötig, damit – wie es Gracias und Rodríguez Maradiaga wünschen – die Kurienreform nach fast sechsjähriger Arbeit zum kommenden Fest Peter und Paul am 29. Juni endlich in Kraft treten kann. Aber wenn es bis zum Herbst dauern sollte: Die Grundzüge der Reform des Vatikans stehen fest; wenn der Papst sie so will, werden auch die Gutachten der Bischofskonferenzen im Kern nicht viel ändern können. Es wird Episkopate geben, die über das Reformwerk jubeln, andere werden es ablehnen. Diese beiden Extreme werden sich gegenseitig aufheben. Was übrig bleibt, ist dann die breite Mehrheit der Eingaben der Bischofskonferenzen und römischen Dikasterien, die ein wenig an den Stellschräubchen der Konstitution drehen, aber sie nicht mehr ernsthaft umwerfen werden. Das Ergebnis wird also am Ende sein, dass die Römische Kurie ein völlig neues Gesicht und Gewicht erhält. Eine in Jahrhunderten gewachsene Institution muss sich neu aufstellen.
Dass „Praedicate Evanglium“ die Glaubenskongregation vom hohen Stuhl der „Suprema“ stößt, passt zum Pontifikat von Franziskus, dem die Pastoral wichtiger ist als das Beharren auf der reinen Lehre. Dass aber ein Dikasterium für die Evangelisierung die erste Stelle unter den Vatikanbehörden einnehmen soll, wirft schon die ersten Fragezeichen auf. Was soll ein solches Dikasterium tun? Es fällt einem der deutsche Bischof Tebartz-van Elst ein, der im Rat für Neuevangelisierung sitzt und Vorlagen für Katechesen schreibt. Soll das das Vorbild für den Vatikan der Zukunft sein? Die Kurie als Organ im Dienste der Ortskirchen? Früher hieß es in Rom, dass die Kirche, da sie weiter wachse und die zentrifugalen Kräfte zunähmen, ein umso stärkeres römisches Zentrum brauche, das den Laden zusammenhält. Mit der Kurienreform wäre das vorbei.
Es würde passen zum Ruf von Papst Franziskus nach mehr Synodalität in der Kirche. Das kommt allerdings auch den Vorstellungen vieler Ortsbischöfe entgegen, die sich bisher daran gerieben haben, dass mancher Referent in den vatikanischen Kongregationen die Vertreter der Ortskirche gegängelt hat, als seien sie Untergebene. Das soll „Praedicatre Evanglium“ grundlegend ändern. Die Kurienreform trägt die Handschrift der Leute, die sie gemacht haben: Kardinäle von der – aus römischer Warte – Peripherie der Kirche. Und eines Kardinal Marx, der von deutschen Sonderwegen träumt. Und schließlich eines Jorge Mario Bergoglio, der als Kardinal kein Freund der Römischen Kurie war.
Traditionsbewusste Katholiken, denen „Amoris laetitia“ ein Dorn im Auge ist, werden in der Kurienreform eine Revolution von oben sehen. Die Verwerfungen innerhalb der Kirche werden sich noch einmal verschärfen. Die Kurienreform läuft Gefahr, zu einem weiteren Spaltpilz in der Catholica zu werden.