Vor 40 Jahren war Deutschland gespalten. Es standen sich eine sehr große Mehrheit und eine sehr kleine Minderheit gegenüber. Und trotzdem ging der Bruch mitten durch wichtige gesellschaftliche Institutionen, durch die Universitäten, die Redaktionen, nicht zuletzt durch die Lehrerkollegien. Vor 40 Jahren wurde Deutschland durch den RAF-Terrorismus erschüttert: Die Attentate auf Jürgen Ponto und Siegfried Buback, die Entführung von Hanns-Martin Schleyer, die schließlich mit der Ermordung des Arbeitgeber-Präsidenten endete, alle diese Ereignisse für die größte Bedrohung ihrer rechtsstaatlichen Ordnung, die die westdeutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit erlebt hat. Die große Mehrheit hat klar und deutlich den Terrorismus abgelehnt und in ihm das erkannt, was er war: ein linker Totalitarismus, menschenverachtend und brutal. Es gab aber eben auch jene kleine, aber gesellschaftlich durchaus einflussreiche Minderheit von Intellektuellen und linken Aktivisten an Unis und Schulen die „eine klammheimliche Freude“ dabei empfanden, wenn die Exponenten des vermeintlichen Establishments zu Opfern des Terrorismus wurden, der doch, so die verzerrte linke Weltanschauung, zumindest für eine gerechtere und bessere Welt kämpfe. Die Fama, das der linke Terrorismus in irgendeiner Weise rechtsradikalem Terrorismus moralisch überlegen sei, hält sich bis heute. Zuletzt konnte man es bei den Krawallen in Hamburg sehen. Vielen Kommentatoren merkte man an, dass es schwierig fiel einfach zu sagen, was sie beobachten konnten: Verbrecher, die eine Stadt in Schutt und Asche gelegt haben.
Das Treffen der ehemaligen RAF-Terroristin Silke Maier-Witt mit dem Sohn von Hanns-Martin Schleyer und die Bitte der Täterin um Versöhnung könnte ein Signal sein, endgültig auf der linken Seite des politischen Spektrums in dieser Frage eindeutig und klar zu werden. Wenn nun selbst eine Täterin, die wie die meisten ihrer Genossen bisher störrisch geschwiegen hatte, die Notwendigkeit der Entschuldigung sieht und den Weg hin zu Versöhnung beschreitet, muss auch die ehemalige Sympathisantenszene einlenken. Deren Vertreter sind zwar allesamt verbürgerlicht, sitzen vor allem an wichtigen Schatstellen der Gesellschaft fallen aber - Siehe Hamburg-Gipfel - ab und an in die alte Kampfrhetorik zurück. Diese Generation muss auch endlich Versöhnungsbereitschaft zeigen. Sie muss sich mit unserer rechtsstaatlichen Ordnung versöhnen, die sie gerne das System nennen. Sie müssen ihr gebrochenes Verhältnis zur Polizei aufarbeiten, die für sie oft nur „Bullen“ sind Und schließlich müssten sie einmal darüber nachdenken, warum sie, die Exponenten des vermeintlich „besseren Deutschlands“ so empfänglich für linke totalitäre Ideologie waren. Das gut ist, solche Debatten muss man heute nicht mehr mit Schaum vor dem Mund führen. Aber man sollte endlich darüber sprechen. Die deutsche Linke ist stolz auf ihr Geschichtsbewusstsein. Hier kann sie zeigen, ob sie in der Lage ist,ihre eigene Entwicklung kritisch aufzuarbeiten. So eine Auseinandersetzung hätte einen positiven Effekt auf die politische Kultur insgesamt. Sie könnte dazu führen, dass viele Übel der 70 Jahre - Hypermoralismus, Bezichtigungskultur und Staatsverachtung - der Vergangenheit angehören. Endgültig.