Die Rue du Calvaire ist eine der Prachtstraßen in Nantes. Ihren Namen könnte man auch mit Straße nach Golgotha, also Kreuzwegstraße übersetzen. Sie führt an der Kathedrale Peter und Paul vorbei, so als wäre das gotische Juwel nach dem Brand am Samstag eine Station auf dem Kreuzweg der Kirchen in Frankreich. Dieser Kreuzweg hat tausend Stationen. Denn jährlich werden mehr als tausend Kirchen in Frankreich geschändet und gebrandschatzt. Die Täter sind ganz unterschiedlich. Mal sind es Jugendbanden, mal Diebe, mal Islamisten oder Anarchisten.
Verborgen im medialen Dunkelraum
Die Ermittlungen laufen. Unabhängig von ihrem Ergebnis kann man aber sagen, dass die Flammen in Nantes eine Szenerie erhellen, die sonst im medialen Dunkelraum verborgen bleibt. Anfang Juli brannte die Pauluskirche in Corbeil-Essonnes, im elsässischen Munster wurde die evangelische Kirche Saint Leger beschmiert, in Whir-au-Val eine Marienfigur geköpft, im normannischen Avranges die Basilika Saint Gervais verwüstet, in Tours die Basilika des heiligen Martin beschmiert. Schon seit Jahren werden unter dem medialen Radar Woche für Woche Dutzende von Kirchen in Frankreich beraubt, beschmiert und eben auch angezündet. Desgleichen viele Friedhöfe.
Nun schauen viele Katholiken nicht nur in der bretonischen Hafenstadt skeptisch nach Paris. Immerhin trägt Präsident Macron den Ehrentitel „Chanoine der Lateran-Basilika“ – ein Titel, der die Schutz- und Friedensfunktion der französischen Staatslenker auch gegenüber der Kirche zum Ausdruck bringen soll. Denn mit der Trennung von Kirche und Staat vor 115 Jahren gingen zwar die Gotteshäuser in den Besitz der Republik über, die sich aber im Gegenzug verpflichtete, für die Instandhaltung Sorge zu tragen.
Vom Schutz für die Kirchen ist wenig zu sehen
Nur: Vom Schutz für die Kirchen ist wenig zu sehen. Viele sind in den letzten Jahren dank lokaler Heimatvereine liebevoll restauriert worden. Und es ist ein billiger Trost, dass die Regierung jetzt verspricht, die Kosten der Restaurierung der Kathedrale zu übernehmen. Die Orgel, die die Große Revolution und zwei Weltkriege überstanden hatte, ist völlig zerstört. Sie ist nicht zu ersetzen.
Natürlich kann man die rund 42.300 katholischen Kirchen und Kapellen in Frankreich nicht rund um die Uhr bewachen. Aber man kann eine Stimmung der „positiven Laizität“ (Benedikt XVI.) schaffen, ohne den laikalen Charakter der Republik zu beeinträchtigen. Und das ist der Punkt: Es gibt in Frankreich an höchsten Stellen Kräfte, die die Kirche aus dem öffentlichen Leben ganz herausdrängen wollen und denen die Verpflichtungen gegenüber der katholischen Kirche und überhaupt jeder Religion ein Dorn im Auge sind. Das ist nicht nur die linksextreme Anarcho-Szene, die im Netz jubelt („Die einzige Kirche, die erhellt, ist eine brennende“) und vor deren Ausufern bis hin zum Terrorismus die Sicherheitsdienste seit Jahren warnen.
Die antikirchlichen Kräfte sitzen auch in der Regierung
Die antikirchlichen Kräfte sitzen auch in der Regierung. Und für die ist ein Turmreiter auf Notre Dame de Paris oder die Restaurierung von Peter und Paul in Nantes ein Schnäppchen-Preis, wenn man dafür, garniert mit etwas rhetorischem Blendwerk, die gesellschaftsverändernden, bioethischen Gesetze durchboxen und gleichzeitig katholische Wähler gewinnen kann. Das sind Prachtstraßen, die man im Elysee liebt.
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