Leitartikel: Bis ins Mark gespalten

Ein Alleingang des Vorsitzenden der deutschen Bischöfe belastet den Kommunionstreit. Den Preis des Zickzackkurses zahlen die Seelsorger und die Gläubigen. Von Regina Einig
Regina Einig -  Redakteurin - Kirche aktuell, Bildung "Die Tagespost"
Foto: Margarete de Selliers Würzburg

Die jüngste Sitzung des Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz hat den Graben zwischen den Bischöfen massiv vertieft. Die autoritäre Entscheidung des Vorsitzenden, im Alleingang und ohne Rücksprache mit den Mitbrüdern von Papst Franziskus grünes Licht für eine Veröffentlichung der umstrittenen Handreichung einzuholen, verschiebt den Kommunionstreit, der offiziell mit seelsorglichem Anspruch ausgetragen wurde, nun auf die Ebene eines kirchenpolitischen Machtspiels. Der vielbeschworene Geist der Brüderlichkeit in der Bischofskonferenz ist unter dem Vorsitz von Kardinal Marx jedenfalls zur Farce geworden. Dafür fällt der gegen Kardinal Woelki zu Unrecht erhobene Vorwurf, Rom einzuschalten, statt erst mit den Mitbrüdern zu sprechen, nun auf den Vorsitzenden selbst zurück. Unbeantwortet im Raum steht die Frage, wem Papst Franziskus mit seinem orientierungslos wirkenden Zickzackkurs dienen will.

Dass die umstrittene Handreichung der Bischofskonferenz, deren Publikation vom Präfekten der Glaubenskongregation untersagt worden war, weil das Dokument „nicht reif“ für die Veröffentlichung sei, nun ohne weitere Begründung als Orientierungshilfe und Studientext taugen soll, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Was qualifiziert den Text, der von Ökumenebischof Gerhard Feige während des Katholikentags als „kein großer Wurf“ eingestuft wurde und dem Theologen gravierende Mängel bescheinigen, für eine seriöse theologische Debatte? Befremden über dieses Flickwerk herrscht schon jetzt über die Konfessionsgrenzen hinweg. Auch hat der Ton, in dem Bischof Feige Kritik an der Handreichung öffentlich mit der Ideologie der DDR-Funktionäre verglich, eine Betriebstemperatur geschaffen, die eine sachliche Auseinandersetzung nachhaltig belastet. Wer wie die sieben Bischöfe eine gesamtkirchliche Klärung im Kommunionstreit befürwortet, erscheint inzwischen als quantité négligeable, der sich verabsolutierten Gewissensentscheidungen widerspruchslos zu fügen hat. Doch treffen Unterstellungen eines vorkonziliaren Kirchenbildes und exklusivistischer Debattenführung auf die Befürworter einer gesamtkirchlichen Regelung nicht zu. Der enorme Mangel an Glaubenswissen und Katechismuskenntnis schreit geradezu nach Verkündigung: Was Eucharistie für Katholiken bedeutet, ist auch vielen Getauften nicht mehr klar. Darum hilft ein entschiedenes Sowohl-als-auch niemandem weiter, selbst wenn die Mehrheit der deutschen Bischöfe diesen Weg beschreiten will. Auf dem Papier soll daran festgehalten werden, dass Kirchengemeinschaft und Eucharistie untrennbar miteinander verbunden sind, diesen Grundsatz will man aber zugleich in der seelsorglichen Praxis de facto aufgeben.

Als argumentativer Stolperstein steht dabei das Zerrbild einer synodalen Kirche im Raum. Was ergibt sich aus Kardinal Marx' Einschätzung, die Kurie sei ja nicht einfach die Weltkirche? Sollen sich die Ortskirchen daran ein Vorbild nehmen und Synodalität als Synonym für Sonderwege verstehen? Immerhin sind Pfarreien ja auch nicht einfach die Filialen bischöflicher Ordinariate, Generalvikariate nicht einfach die Diözese und der Vorsitzende der Bischofskonferenz auch nicht einfach der deutsche Episkopat.

Die Wurzel des Konflikts ist nicht neu: Sie besteht in der Prinzipienlosigkeit, mit der private Theologenmeinung und das Lehramt der Kirche als gleichwertig auf eine Stufe gestellt und die notwendige Unterscheidung von überliefertem katholischen Glauben und Diskussionsbeiträgen verweigert wird.

Formaljuristisch gesehen hat sich in puncto Kommunionstreit netto nichts geändert, weil das Ökumenische Direktorium unverändert in Kraft ist. Noch ehe die Bischöfe im Herbst in Fulda zur Vollversammlung eintreffen, wird Rom voraussichtlich durch Auslegungsbestimmungen klären, in welchen konkreten Ausnahmesituationen nichtkatholische Ehepartner in gemischtkonfessionellen Ehen zur Kommunion zugelassen sind. Zur Verwirrung unter den Gläubigen hat die jüngste Entwicklung im Kommunionstreit allerdings erheblich beigetragen. Ihnen die Wertigkeit und Relevanz kirchlicher Dokumente und Verlautbarungen in Predigt, Katechese und Beichtgespräch zu vermitteln, bleibt nun den Seelsorgern überlassen. Sie sind um diese Aufgabe nicht zu beneiden.

 
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