Nie war das globale Interesse an Afrika größer als derzeit. Der Chefdiplomat der Vereinigten Staaten, Antony Blinken, wird im August den afrikanischen Kontinent besuchen. Diese Reise wird er nach dem Besuch des russischen Außenministers und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Afrika antreten. Ein Versuch, Afrika zurückzuerobern? Blinken hat einen Besuch in Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda angekündigt. Macron hat gerade eine Afrika-Reise abgeschlossen, die ihn nach Kamerun, Benin und Guinea-Bissau geführt hatte. Zurück von einer Afrika-Reise ist auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, die ihn nach Ägypten, Äthiopien, Uganda und in die Republik Kongo führte.
Wettlauf um den Zugang zu Rohstoffen und Märkten
Abseits aller diplomatischen Initiativen wird deutlich, dass es sich in Afrika um einen Wettlauf um den Zugang zu den Rohstoffen und Märkten des Kontinents handelt sowie die Chancen für die eigenen Investoren, Produkte und Technologien. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die kommunistische Volksrepublik China für zahlreiche der 54 afrikanischen Länder zu einem der wichtigsten Investoren und Handelspartner entwickelt. So bildet seit 2013 die Initiative „Neue Seidenstraße“ eine zentrale Säule der chinesischen Außenpolitik unter Xi Jinping. Ziel ist der Aufbau eines umfassenden Handelsnetzwerks zwischen Asien und Afrika.
Neben den wirtschaftlichen Investitionen hat sich eine militärisch-strategische Komponente des chinesischen Engagements in Afrika entwickelt. 2017 eröffnete Peking einen Militärstützpunkt in Dschibuti. Der erste und bisher einzige permanente Truppenstandort außerhalb Chinas liegt in unmittelbarer Nähe der dortigen Stützpunkte der Amerikaner und Franzosen. Dschibuti grenzt im Norden an Eritrea, im Westen und Süden an Äthiopien und im Südosten an Somalia sowie im Osten an den Golf von Aden und das Rote Meer. Eine geostrategisch günstige Lage am Horn von Afrika. Peking aber will nicht nur politisch die afrikanischen Länder hinter sich scharen, sondern auch deren riesige Rohstoffreserven für sich erschließen. Das führt zu der Frage: Wo bleibt Russland? Nach Ende des Kalten Krieges hatte sich Russland aus geostrategischen Vorhaben in Afrika weitgehend zurückgezogen. Erst in den vergangenen fünf bis sechs Jahren stieg das russische Engagement auf dem Kontinent wieder merklich an.
Die meisten afrikanischen Staaten enthielten sich der Abstimmung
Einen Meilenstein bildete der erste russisch-afrikanische Gipfel in Sotschi am Schwarzen Meer im Oktober 2019. Moskau präsentierte sich als potenter Geldgeber Afrikas. 43 Staats- und Regierungschefs nahmen teil. Präsident Wladimir Putin verkündete einen Schuldenerlass in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar gegenüber afrikanischen Ländern und unterzeichnete bilaterale Investitionsabkommen über insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar.
Ernüchterung gab es freilich im März dieses Jahres bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung über einer Resolution zur Verurteilung des Kriegs gegen die Ukraine. Die meisten der afrikanischen Staaten enthielten sich der Abstimmung: Afrika ist in der Urkaine-Frage gespalten. Denn 25 afrikanische Staaten konnten sich nicht dazu entschließen, für die Resolution zu stimmen.
Mit Eritrea votierte sogar ein afrikanisches Land explizit dagegen. Äthiopien, Guinea, Guinea-Bissau, Burkina Faso, Togo, Kamerun, Eswatini und Marokko beschlossen, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Algerien, Uganda, Burundi, die Zentralafrikanische Republik, Mali, Senegal, Äquatorialguinea, Kongo Brazzaville, Sudan, Südsudan, Madagaskar, Mosambik, Angola, Namibia, Simbabwe und Südafrika enthielten sich der Stimme. Viele dieser Staaten importieren russisches Getreide und zunehmend auch Energie. Gleichzeitig kaufen sie aber auch ukrainisches Getreide und profitieren von westlichen Hilfsgeldern und Handelsbeziehungen.
Werbetour für Moskaus Position im Ukraine-Krieg
Denn trotz der Bemühungen Russlands, seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Afrika zu vergrößern, sind Europa und die USA nach wie vor die führenden Wirtschaftspartner in Afrika. So lässt sich das Abstimmungsverhalten in der UN-Vollversammlung zum Teil mit den historischen Beziehungen erklären, etwa der Unterstützung afrikanischer Befreiungsbewegungen wie des ANC in Südafrika oder der SWAPO in Namibia durch die Sowjetunion. Etliche dieser Staaten fürchteten offensichtlich, in einen neuen Kalten Krieg hineingezogen zu werden. Dabei scheint dieser spätestens mit der jüngsten Afrika-Tour des russischen Außenministers längst ausgebrochen zu sein. Mit im Reisegepäck hatte Lawrow nur Propaganda und Schuldzuweisungen. So trage der Westen die Schuld für die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Lebensmittelkrise.
War es nur eine Werbetour für Moskaus Position im Ukraine-Konflikt? Es geht vor allem um politischen Einfluss und Bodenschätze im Tausch mit dem, was Russland zu bieten hat: Waffen. Es geht aber auch um Söldner, für die Russland regelmäßig jede Verantwortung abstreitet. Es handelt sich um die „Gruppe Wagner“, die Aktionen übernimmt, mit denen die reguläre russische Armee nicht in Verbindung gebracht werden will. Die „Gruppe Wagner“, die bereits in Syrien, Libyen,in der Zentralafrikanischen Republik sowie in Mali im Einsatz war, wird als brutal und skrupellos beschrieben – und ist berüchtigt für Folter, Vergewaltigungen und Mord. Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali, betont gegenüber dieser Zeitung: „Aktuell scheint die Wagner-Gruppe zumindest teilweise zur Unterstützung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine aus afrikanischen Staaten abgezogen worden zu sein, die russische Einflussnahme in der Region ist damit aber keineswegs vom Tisch.“
Denn viel steht besonders für die Sahel-Region auf dem Spiel, Tschad etwa grenzt im Südwesten an Kamerun, Niger und Nigeria, wo Boko Haram und Banditen aktiv sind, und im Norden an Libyen, wo seit dem Sturz von Muammar Gaddafi im Jahr 2011 Chaos herrscht. Im Osten grenzt Tschad an den instabilen Sudan mit der Krisenregion Darfur und im Südosten an die Zentralafrikanische Republik. In allen Staaten der Sahel-Zone mischt sich dschihadistische Gewalt mit ethnischen Konflikten und organisierter Kriminalität. Wo Gewalt und Instabilität sich zuspitzen, empfiehlt sich Moskau als sicherheitspolitischer Akteur. Für Lawrow gibt es noch viel zu tun.
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