Man hat es im ganzen Land plumpsen gehört: Die CDU wie auch die SPD haben sich von zwei großen Mühlsteinen befreit, die die beiden Volksparteien seit Jahren am Hals hatten. Die Last war zum Schluss so schwer, dass sie kaum noch politischen Bewegungsspielraum hatten. Auf dem Stein der SPD klebt das Etikett „Hartz IV“, auf dem der CDU steht „Flüchtlingskrise“. Andrea Nahles hat mit ihrem Vorschlag, den Hartz IV-Bezug durch ein Bürgergeld zu ersetzen, endgültig mit der Reform-Agenda Gerhard Schröders gebrochen. (Siehe dazu auch Seite 28) Die Partei atmete auf, denn nach Lesart vieler Funktionäre begann damals der Niedergang. Zum Beweis führen sie an, dass die 15 Prozent-Partei nun tatäschlich bei manchen Umfragen ein, zwei Prozentpünktchen mehr aufweisen kann.
Die CDU setzte am Wochenende zu einer endgültigen Revision ihrer Flüchtlingspolitik an. Auch wenn das Workshop-Wochenende, zu dem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Funktionäre und Experten in das Berliner Adenauer-Haus eingeladen hatte, zeitweise wie eine große Therapie-Sitzung wirkte, die Wende ist glaubhaft. Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, so etwas wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen und nun müsse es darum gehen, eine Mischung zwischen Humanität und Härte zu finden, dann war das ein klarer Kontrapunkt zu Merkel.
Aber die beiden Wendemanöver der Parteien unterscheiden sich: In beiden Fällen führen sie zwar zu einer Wiederannäherung an das jeweilige Kernklientel. Doch CDU und SPD zahlen einen unterschiedlichen Preis: Die SPD verabschiedet sich von der Realpolitik und macht den letzten politischen Erfolg schlecht, den sie überhaupt vorweisen kann: Eben die Schröderschen Reformen, auf die die aktuelle gute wirtschaftliche Gesamtlage zurückgeht. Die CDU hingegen kehrt zur Realpolitik zurück. Und verfährt dabei geschickt. Deutlich adressiert sie die Botschaft an die Merkel-Kritiker: Wir haben verstanden. Diese Wende wurde aber durch die Parteispitze so moderiert, dass auch nicht die „Wir schaffen das“-Wähler, die gibt es ja auch, vergrault werden.