Theresa May kann es niemandem Recht machen. Jenen, denen „Brexit means Brexit“ lieblich in den Ohren klang, wird sie keinen „harten Brexit“ bescheren können. Zu wichtig ist für Großbritannien Rechtssicherheit für die fast 1,2 Millionen Briten, die auf dem Kontinent leben und arbeiten; zu wichtig ist der EU Rechtssicherheit für die mehr als drei Millionen EU-Bürger auf der Insel. London will Finanzplatz bleiben, die globalen Großbanken halten und Zugänge zum EU-Binnenmarkt sichern. Theresa May kann es auch den 700 000 Bürgern nicht Recht machen, die vor wenigen Tagen in London für ein zweites Referendum demonstrierten: Wenngleich die Brexit-Kampagne mit Lügen erfolgreich war, und auch wenn das ganze Desaster nach dem Referendum sichtbar wurde, kann eine Regierung nicht so lange abstimmen lassen, bis das Ergebnis passt.
Auch für jene, die einen möglichst „weichen Brexit“ ersehnen, wird Theresa May keine Heldin mehr: Der Rosinenpickerei hat die EU stets klare Grenzen gezogen. Und die Versuche Londons, die 27 Partner zu spalten, um Einzeldeals auszuhandeln, sind kläglich gescheitert. In vielem mögen die 27 Regierungen der EU-Staaten uneins sein, aber alle stützen Michel Barnier in seinen Verhandlungen mit den Briten.
Wer nun meint, es gehe ja „nur“ ums Geld, um die Banken und um wirtschaftliche Prognosen, sollte den Blick nach Irland richten: Wenn die Grenze zwischen der Republik Irland und der zu Großbritannien gehörenden Provinz Nordirland zur Zoll- und EU-Außengrenze wird, ist ein neuerliches Aufflammen des blutigen Nordirland-Konflikts nicht mehr auszuschließen. Bei der Einigung Europas ging und geht es eben nicht nur ums Geld, sondern darum, den Grenzen ihren trennenden Charakter zu nehmen und so den Frieden zu sichern. Nicht nur für Nordirland wäre ein No-Deal-Szenario die schlechteste Option. Mays chaotische Verhandlungsführung riskiert genau dies.