In der Union brodelt es. Die Auseinandersetzung zwischen Fraktionschef Ralph Brinkhaus und Innenminister Horst Seehofer, die von den Medien verbreitet wurde, ist dafür das herausstechende Symptom. Es sollen von Brinkhaus Sätze gefallen sein wie „Ihr habt nichts gelernt, die Leute wollen keine Flüchtlinge.“ Oder: „Ihr sitzt hier im Kabinett, ich bin im Wahlkreis und spreche mit den Menschen.“ Kurz danach hat Brinkhaus zwar klargestellt, er stehe dazu, dass Deutschland aus humanitären Gründen Flüchtlinge aufnimmt und sei überzeugt, die Mehrheit der Bevölkerung sehe dies genauso.
Es geht vor allem um ein Kommunikationsproblem
Doch das war eine Flucht ins Grundsätzliche. Wer wollte hier schon widersprechen? Die Frage, die die Menschen umtreibt, ist viel konkreter: Welche Maßnahmen müssen jetzt getroffen werden, um Migration bessern regeln, steuern und begrenzen zu können? Klar, dass im Hintergrund Verhandlungen laufen, das ist wohl selbstverständlich. Aber es geht hier vor allem um ein Kommunikationsproblem. Die Sätze „2015 darf sich nicht wiederholen“ und „Wir müssen einen Weg zwischen Härte und Humanität finden“ haben mittlerweile so viel Aussagekraft wie das klassische „Wir schaffen das“. Da mögen die Koalitionsspitzen beschließen, hilfsbedürftige Kinder aufzunehmen. Gewiss, ein humanitäres Signal. Aber wo ist die große Linie in der Migrationspolitik?
Die Kanzlerin spricht nicht mit dem Volk
Und da ist die aktuelle Situation der von 2015 dann doch sehr ähnlich: Die Kanzlerin spricht nicht mit dem Volk. In Krisensituationen haben Bürger einen Anspruch auf politische Führung. Und wie diese direkte Ansprache funktionieren kann, zeigt gerade Sebastian Kurz in Österreich. Man kann nicht nicht-kommunizieren. Auch wer schweigt, sagt etwas.
Aber ob diese ungesagten Sätze, die die Bürger aus dem Schweigen heraushören, wirklich die sind, die Angela Merkel meint? Nur sprechenden Kanzlerinnen kann geholfen werden.
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