Polen ist ein sensibeles Land. Gerade in Deutschland sollte man das wissen. Deswegen wäre es wichtig, dass gerade aus Deutschland nun Stimmen der Mäßigung zu hören wären.
Die EU-Kommission sieht den Rechtsstaat in Polen in Gefahr. Und gewiss, manche Maßnahmen, die die national-konservative PIS seit ihrem Regierungsantritt angenommen hat, entsprechen aus westeuropäischer Sicht nicht unbedingt den üblichen Gepflogenheiten. Aber stimmt das wirklich so? Im Kommentar einer polnischen Zeitung hieß es kürzlich: Auch in den westeuropäischen Demokratien sei es ja nicht unüblich, nach einem Regierungswechsel wichtige Positionen im Staatsapparat mit Menschen aus dem eigenen Lager zu besetzen. Dass die Opposition solche Entwicklungen naturgemäß kritisch sieht und diese Kritik auch äußert, sei ebenfalls dort Standard. Kurz: Auch in Polen seien die Konflikte nicht anders als in anderen demokratischen Staaten auch.
Der Aspekt lohnt, über ihn nachzudenken. Ein zweiter muss dazukommen: Das Phänomen PIS ist nicht ohne die Geschichte Polens zu verstehen. Der jahrhundertelange Kampf für einen eigenen Staat. Das Leid unter zwei totalitären Regime, erst unter den Nazis, dann unter der Knute der Sowjets. Schließlich die nur unzureichend gelungene Aufarbeitung der Vergangenheit nach der Wende 1989. Zu viele Polen hatten danach das Gefühl, dass noch viele aus den alten Eliten auch weiterhin zum Establishment gehören, während sie zunehmend sozial an den Rand gedrängt werden.
Deutschland ist ein Freund Polens. Freundschaft muss nicht bedeuten, alles zu verzeihen. Wer befreundet ist, der kennt aber die Befindlichkeiten des Anderen. Kann sie nachvollziehen. Und wird vor allem gegenüber Dritten dafür eintreten, die Gründe und die Motivationen des Freundes für sein Handeln zu verstehen. Genau in diesem Sinne sollte deutsche Außenpolitik für Polen eintreten. Dies wäre – es wird ja so oft gefordert – nicht nur eine Lehre aus unserer Geschichte, es wäre vor allem auch ein Dienst an der Idee Europa.