Was ist Klima, was ist Wetter?
„Klima“ beschreibt die Wetterbedingungen über größere Zeiträume und stellt dabei Werte für Klimavariablen im Zeitverlauf fest, die den Zustand der Atmosphäre, des Ozeans, der Eisflächen an den Polen und der Gletscher in den Hochgebirgen charakterisieren. Über Zeitreihen einer bestimmten Spanne (üblicherweise 30 Jahre) lassen sich Klimaveränderungen identifizieren, bei denen die Schwankungen externer Einflüsse berücksichtigt sind. Klima ist also eine statistische Größe, die langfristige Aussage über das Wetter macht, eine Art „Statistik vom Wetter“.
Was ist Klimawandel?
Wenn zwei aufeinanderfolgende Zeitspannen eine Änderung der Verteilung aufweisen, spricht man von „Klimawandel“. Nicht jede Änderung von Wetterbedingungen hat mit dem Klimawandel zu tun. Dennoch gibt es Tendenzen und wahrscheinliche Entwicklungen des Wetters bei verändertem Klima. Insoweit bedingt der Klimawandel einen „Wetterwandel“.
Gibt es einen Klimawandel und woran kann man das erkennen?
Ja, alle Daten sprechen dafür, dass sich das Klima drastisch ändert; Einzelheiten kann man den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) entnehmen, in denen der Forschungsstand regelmäßig zusammengefasst wird, zuletzt 2014. Der erste Teil des für 2022 erwarteten Sechsten IPCC-Sachstandsberichts erschien am 9. August 2021; dieser Teil stellt die aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse vor.
Ein wichtiger Indikator des Klimawandels ist die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur. Diese ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts um etwa ein Grad gestiegen, besonders stark in den letzten 50 Jahren. Klimamodelle zeigen eine beschleunigte Fortsetzung des Trends und prognostizieren bis 2100 einen weiteren Anstieg der Erdmitteltemperatur um 0,5 bis sechs Grad – je nach getroffenen oder unterlassenen Klimaschutzmaßnahmen.
Das bedeutet: Selbst bei einer kohlenstoffdioxidfreien Lebensweise werden die Temperaturen zunächst noch steigen, da sich Klimasysteme träge verhalten und nur langfristig zu verändern sind. Unterbleiben allerdings die Maßnahmen gänzlich, wird sich die Erderwärmung den Modellen zufolge weiter beschleunigen.
Ist der Mensch für diesen Klimawandel verantwortlich?
Nach allem, was die Daten hergeben: Ja. Der aktuelle Klimawandel lässt sich nicht anders erklären als durch menschliche Beiträge zum hohen Kohlenstoffdioxidanteil in der Luft, der wiederum direkt mit den gestiegenen Temperaturen korreliert (Treibhauseffekt). Deswegen ist der aktuell beobachtbare Klimawandel ganz wesentlich anthropogen, also menschengemacht, verursacht vor allem durch Treibhausgas-Emissionen aufgrund menschlichen Tuns (Kohlenstoffdioxid: Energiegewinnung, aber auch Methan: Landwirtschaft).
Gemeint ist damit nicht, wie es grammatisch den Anschein hat, der Klimawandel (oder gar das Klima an sich) sei in Gänze vom Menschen „gemacht“, gerade so, als hätte es vor dem Erscheinen des Homo sapiens zig Millionen Jahre lang ein konstantes Klima gegeben, weil es eben zwingend des Menschen bedarf, um Änderungen des Klimas herbeizuführen. Gemeint ist damit stattdessen, dass es einen gewissen menschlichen Anteil am Klimawandel gibt, der für uns relevant, genauer: gefährlich ist, weil die Natur diesen nicht kompensieren kann.
Ist die Wissenschaft sich einig, was die Rolle des Menschen betrifft?
Ja. Herrschende Meinung in der Klimaforschung ist, dass der Mensch das Klima beeinflusst und damit natürliche Schwankungen verstärkt, in der Summe also Verantwortung für das Klima trägt. Studien über die Beiträge der Klimaforschung unter der Fragestellung, ob die Autorinnen und Autoren vom anthropogenen Klimawandel ausgehen, zeigen den Konsens sehr deutlich. Arbeiten über naturwissenschaftliche Studien (so genannte Metastudien) sind so etwas wie der Goldstandard der Wissenschaftssoziologie, weil eine Auswertung sehr vieler Publikationen zu einem bestimmten Thema Mehrheiten, Trends und Differenzen der Forschergemeinschaft abbilden kann.
In drei solchen Metastudien haben Wissenschaftler um James Lawrence Powell in den Jahren 2012, 2016 und 2017 zehntausende wissenschaftliche Artikel zum Klimawandel ausgewertet. Der Befund: zu 99,83 Prozent (2012), 99,99 Prozent (2016) beziehungsweise 99,94 Prozent (2017) gehen die Beiträge von der Verantwortung des Menschen aus – ein sehr breiter Konsens. Dieser Konsens wird von keiner einzigen Wissenschaftsakademie auf der Welt bestritten oder bezweifelt.
Dass der Mensch und sein Handelns für das Klima völlig unerheblich ist, glauben ohnehin nur sehr, sehr wenige Menschen. Zu Recht: In „A probabilistic analysis of human influence on recent record global mean temperature changes“ (2014) kommen Philip Kokic, Steven Crimp und Mark Howden zu dem Schluss, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der in den letzten 60 Jahren gemessene Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auch ohne den Menschen und seine Art zu produzieren und zu konsumieren ergeben hätte, betrage 0,001 Prozent oder 1 zu 100 000.
Gibt es denn keinen Zweifel an den Resultaten der Klimaforschung?
Doch – und der ist auch durchaus sinnvoll. Weniger sinnvoll ist es zu meinen, die „Klimaskeptiker“ seien die einzigen, die sich mit den Resultaten der Klimaforschung kritisch auseinandersetzten. Das wäre ungerecht gegenüber der berufsbedingten Skepsis der Naturwissenschaftler, die ihre Arbeiten freilich auch (selbst)kritisch beäugen. Das kritische Korrektiv ist bereits im System „Wissenschaft“ wirksam. Wenn Klimaforscher Modelle entwickeln, gibt es andere Klimaforscher, die darin nach Fehlern suchen und konkurrierende Modelle entwickeln. Skepsis ist kein Monopol der „Klimaskeptiker“. Wissenschaft funktioniert nur als ein „System der Skepsis“.
Das wiederum schließt die Skepsis an der Skepsis ein. Man darf also nicht haltmachen, wenn man Resultate gefunden hat, die einem passen. Oder aber sich darauf beschränken, Thesen zu verwerfen, die einem nicht passen. Das heißt ganz konkret, Theorien, die sich als evident erweisen, weil sie empirisch bestätigt werden, anzuerkennen, auch, wenn ihre Implikationen unangenehm sind. Eine solche Theorie ist die vom menschengemachten Klimawandel. Es gibt keine andere Theorie, die auch nur annähernd eine solche Erklärungsleistung im Hinblick auf das hat, was wir hinsichtlich des Klimas derzeit beobachten und messen.
Was kann man tun?
Eine ganze Menge. Zu unterscheiden sind Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen. Es geht also zum einen darum, das Schlimmste zu verhindern, zum anderen darum, die negativen Auswirkungen des Unvermeidlichen so gering wie möglich zu halten. Wichtige Felder des Klimaschutzes sind: Energie und Energietechnik, Mobilität und Verkehrstechnik, Baugewerbe und Gebäudetechnik, Landwirtschaft und Ernährung. Akteure des Klimaschutzes sind nicht nur internationale Organisationen, Staaten, Unternehmen, sondern alle Menschen, insoweit jede und jeder Einzelne zum Kohlenstoffdioxidausstoß beiträgt. Wie viel das im persönlichen Fall ist, kann man sich ausrechnen lassen, etwa vom Umweltbundesamt.
Was passiert, wenn wir nichts tun?
Sieht man davon ab, dass einige wenige Regionen der Erde durch höhere Temperaturen möglicherweise profitieren, hat ein ungebremster Klimawandel hauptsächlich negative Folgen: Das Eis an den Polen schmilzt, der Meeresspiegel steigt, Inseln und Küstenregionen werden unbewohnbar, es kommt zu einer Zunahme von Naturkatastrophen aufgrund von Extremwetterereignissen. Möglicherweise werden Kipppunkte erreicht, wodurch das Klima völlig aus dem Ruder laufen könnte, mit unkalkulierbaren Folgen.
Soziale und politische Unruhen folgen den Naturkatastrophen, weil diese Landkonflikte verschärfen und Ernteausfälle herbeiführen. All dies führt zu mehr Migration (bereits jetzt geht etwa zehn Prozent der globalen Fluchtbewegung auf klimabedingte Probleme zurück, Tendenz steigend).
Haben die Naturkatastrophen dieses Sommers in Europa (Überschwemmungen, Hitzewellen, Waldbrände) etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Höchstwahrscheinlich. Obwohl es auch „früher“ Katastrophen wie diese gab und nicht jede Kalamität in der Natur mit dem Klimawandel hinreichend erklärt werden kann, nimmt die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse und deren katastrophale Folgen durch den Klimawandel zu. 2018 meldete das Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge (UNISDR) in Genf, die Zahl der klimabedingten Katastrophen sei „von durchschnittlich 165 auf 329 pro Jahr gestiegen“. Sven Plöger und Frank Böttcher schreiben in ihrem Buch „Klimafakten“ (2013), woran das liegt: „Eine wärmere Atmosphäre enthält über einen höheren Wasserdampfgehalt mehr Energie als eine kühlere Luftmasse und somit auch ein größeres Unwetterpotenzial“.
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