Rom (DT/KNA). Der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai ist gestern auf Einladung der örtlichen Behörden nach Saudi-Arabien gereist, um dort auch mit dem ehemaligen libanesischen Premierminister Saad Hariri zusammenzutreffen. Das hat das maronitische Patriarchat gestern gegenüber dem Vatikan-Pressedienst Fides offiziell bestätigt. Hariri hatte am 4. November während eines Aufenthalts in Riad überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben. Die Einladung an den Patriarchen war bereits am 1. November von Saudi-Arabien offiziell ausgesprochen worden. Damals wurde er vor allem als ein Signal im interreligiösen Gespräch seitens der saudi-arabischen Kronprinzen Mohamed bin Salman gedeutet. Nun nach dem Rücktritt des Premierministers wird dem Besuch von Kardinal Rai vor allem auch eine politische und geostrategische Bedeutung zugesprochen. Denn der Patriarch ist in der libanesischen Gesellschaft ein einflussreicher Akteur.
Allerdings war am Wochenende noch nicht klar gewesen, ob Kardinal Rai reisen wird. Ausschlaggebend dafür, dass er die Reise antritt, war ein Gespräch mit dem libanesischen Staatspräsidenten Michel Aoun. Am Donnerstag hatten sich beide im Präsidentenpalast getroffen. Vorher hatten die US-Botschafterin Elizabeth Richard und der einflussreiche Abgeordnete Nadim Gemayel im Patriarchat vorgesprochen. Beide hatten sich dabei für den Besuch in Riad stark gemacht. Kardinal Rai und Staatspräsident Aoun hoben schließlich nach ihrem gemeinsamen Gespräch hervor, dass es ihre gemeinsame Absicht sei, sich um die nationale Einheit des Landes zu bemühen. Und das hieße in diesem Falle zu verhindern, dass der Libanon durch den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der die ganze Region betreffe, nicht erschüttert werde. Der Kardinal, so sein Sprecher, wolle dahingehend vermitteln, dass „der Libanon nicht zum Schlachtfeld für den Kampf der regionalen Mächte werden darf“. Stattdessen solle der Libanon auch „künftig eine Oase des Friedens, der Stabilität und des Dialogs sein, wo verschiedene Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben und mit der Zivigesellschaft friedlich interagieren“.
Trotz dieses außenpolitischen Hintergrundes solle neben diesen Themenfeld bei dem Besuch der Dialog im Mittelpunkt stehen, betonte der Sprecher des Patriarchen gegenüber dem vatikanischen Pressedienst Fides. Kardinal Rai wolle die Ablehnung von Terrorismus und Extremismus hervorheben und auch die Situation libanesischer Arbeitnehmer in Saudi-Arabien ansprechen. Von denen leben nach Angaben des libanesischen Außenministerium rund 300 000 in Saudi-Arabien.
Was den zurückgetretenen Premierminister Hariri angeht, so wird im Libanon vermutet, dass dieser sich nicht freiwillig noch in Saudi-Arabien aufhalte, sondern sich sogar in Riad unter Hausarrest befinde und der Komplizenschaft mit den am angeblichen Putschversuch beteiligten saudi-arabischen Führungskräften beschuldigt werde, die auf Befehl des Kronprinzen Mohammed bin Salman in der letzten Woche festgenommen worden waren.
Derweil hat der libanesische Präsident Aoun den Rücktritt von Premierminister Hariri noch nicht offiziell angenommen, den dieser im Interview mit dem TV-Sender Al Arabiya bekannt gegeben hatte.
Diesen Beschluss hatte Präsident Aoun mit Zustimmung mehrerer politischer und institutioneller Vertreter gefasst – unter ihnen der sunnitische Mufti der Republik, Scheich Abd-el-Latif Derian. Der Rücktritt könne erst dann angenommen werden, wenn Hariri in den Libanon zurückgekehrt sei. Bisher sind nur einige Mitarbeiter aus dem Stab des ehemaligen Premierministers in seinem Flugzeug in ihre Heimat im Libanon zurückgekehrt. Paris soll unterdessen mit Riad verhandeln und nach einer Möglichkeit suchen, um Hariri in Frankreich Asyl zu gewähren.
Derweil hat sich die Situation im Jemen, der ebenfalls von dem Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran betroffen ist, verändert. Eine Woche nach Beginn einer Blockade hat Saudi-Arabien die Öffnung der Flug- und Seehäfen in dem Bürgerkriegsland angekündigt. Es würden weiterhin alle Schritte unternommen, um das Leiden der jemenitischen Bevölkerung zu lindern, teilte die saudische Vertretung bei den Vereinten Nationen am Montag über Twitter mit. Als erster Schritt würden innerhalb von 24 Stunden die Häfen unter Kontrolle der jementischen Regierung wieder geöffnet, darunter der Hafen in der südjemenitischen Stadt Aden.