Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Gastbeitrag zum Staatsbesuch Ilham Alijews

Hat Scholz nichts aus der verfehlten Russland-Politik gelernt?

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew, auf Staatsbesuch in Deutschland, steht für ein Regime, das Menschenrechte mit Füßen tritt, schreibt die Menschenrechtlerin Sarah Reinke in einem Gastbeitrag.
Bundeskanzler empfängt den Präsidenten der Republik Aserbaidschan im Bundeskanzleramt.
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Bundeskanzler empfängt den Präsidenten der Republik Aserbaidschan im Bundeskanzleramt.

Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt heute Aserbaidschans Präsidenten Ilham Alijew in Berlin. Alijew steht für ein Regime, das Menschenrechte mit Füßen tritt, zutiefst korrupt ist, Journalisten inhaftiert und die Existenz Armeniens bedroht. Im September 2023 griff seine Armee das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Bergkarabach an. 120.000 Menschen mussten fliehen. Vorher hatte Aserbaidschan den einzigen Zugang zu Bergkarabach, den Latschin-Korridor, monatelang gesperrt.

In Bergkarabach hungerten die Menschen, es gab keine medizinische Versorgung. Die Bundesregierung schweigt zur Aushungerung der Armenier in Bergkarabach genauso wie zu ihrer Vertreibung. Luis Moreno Ocampo, der erste Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, definiert diese Verbrechen als Völkermord. Doch für Bundeskanzler Scholz scheint das nicht relevant zu sein. Er und die EU meinen, Alijew zu brauchen: Aserbaidschan hat Ressourcen. Und in Bergkarabach gibt es den kritischen Rohstoff Lithium.

Deutschland macht sich wieder abhängig

Hat Aserbaidschan den Völkermord an den Armeniern auch begangen, um mit Deutschland und der EU Lithium-Deals zu schließen? Viele Armenier und Experten bejahen diese Frage. Die Abhängigkeit von russischem Gas wird durch Abhängigkeiten von Staaten wie Aserbaidschan abgelöst. Da muss man sich fragen: Hat der Bundeskanzler nichts aus der völlig verfehlten Russland-Politik der Vorgängerregierungen gelernt? Die Armenier in Deutschland fühlen sich verraten – wie schon einmal beim Völkermord 1915. Damals wussten die Mächtigen in Berlin, was im Osmanischen Reich vor sich ging und entschieden bewusst, nichts dagegen zu unternehmen. „Völkermord an Armeniern und das Schweigen Deutschlands dürfen sich nicht wiederholen!“ fordert unsere Menschenrechtsorganisation gemeinsam mit den Armeniern.


Die Autorin ist Leiterin der Menschenrechtsarbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker.

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Sarah Reinke Menschenrechtler Menschenrechtsorganisationen Völkermord an den Armeniern

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