Jüdisches Leben in Deutschland ist heute, 75 Jahre nach Kriegsende, so umfassend und vielfältig wie seit Generationen nicht mehr. Damit dieses Wunder Wirklichkeit werden konnte, bedurfte es zweierlei: Einerseits der breiten Unterstützung beim Aufbau von Strukturen wie neuen Synagogen und Gemeindezentren. Hier hat Deutschland Gewaltiges geleistet.
Kontinuierliche Bekämpfung von Judenhass
Andererseits braucht es aber auch einer kontinuierlichen Bekämpfung von Judenhass, damit jüdische Menschen sich in Deutschland sicher fühlen können. Gerade hier ist heute noch sehr viel zu tun, wie insbesondere die Zunahme rechtsterroristischer Anschläge in den vergangenen Monaten zeigt. Doch das ist nicht alles. Judenhass kommt in unseren Zeiten immer öfter auch scheinbar neutral im Gewand der „Israelkritik“ daher oder, politisch umfassender gedacht, als „Antizionismus“: Als Bewegung also, die dem jüdischen Volk – und nur diesem – das Recht auf einen eigenen Nationalstaat verwehrt. Die so denken, schrecken allzu oft auch vor Gewalt nicht zurück: Hamas, Islamischer Dschihad und ganz besonders Hisbollah. Gerade die schiitische Miliz, die in Deutschland bis heute nicht vollständig verboten ist, nährt auch hierzulande den Hass auf den jüdischen Staat. Am sogenannten Al-Quds-Tag, einem vom iranischen Mullah-Regime initiierten Aufruf zur „Befreiung“ Jerusalems, bringt sie alljährlich Tausende auf die Straße, die mit antisemitischen Plakaten und Sprechchören durch Berlin ziehen. Nicht nur mir bleibt unverständlich, warum ein solches Schaulaufen des Hasses nicht unterbunden werden kann.
Um zu verdeutlichen, dass die markigen Verurteilungen von Israelhass und Antisemitismus mehr sind als leere Worte und um das Vertrauen der jüdischen Menschen und die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft zu sichern, wäre hier beherztes Handeln dringend geboten. Jeder weitere Al-Quds-Tag in Deutschland ist einer zu viel.
Die Autorin ist Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden
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