Italiens Regierungschefin hat eine Frau als Oppositionsführerin erhalten. So wie Giorgia Meloni selbst aus dem Schattensein einer postfaschistischen Kleinstpartei in das Rampenlicht der großen Politik emporschoss und heute mit der stabilen Parlamentsmehrheit des rechten Lagers ungehindert regieren kann, so tauchte auch Elly Schlein aus dem Nichts auf und ist seit Montag Chefin des linken „Partito democratico“ (PD).
Gebürtige Tessinerin mit amerikanischem Pass, 2008 Wahlkampfhelferin von Barack Obama und seit 2022 in der italienischen Abgeordnetenkammer, bewarb sich die 37-jährige Juristin Ende vergangenen Jahres für das Amt des Parteivorsitzenden der italienischen Linkspartei, nachdem Enrico Letta – ein brillanter Akademiker – wieder einmal daran gescheitert war, das Sammelsurium von Strömungen im PD unter einen Hut und gegen das rechte Lager in Stellung zu bringen. Der Wahlsieg von Meloni im vergangenen September war die Folge.
Die Zeit der großen Koalitionen ist vorbei
Schlein war gegen das Partei-Urgestein Stefano Bonaccini angetreten, der bis zuletzt als Favorit galt. Doch bei der Basiswahl des PD, bei der auch parteilose Sympathisanten mit abstimmten, errang sie satte 54 Prozent. Schlein, die sich selber als bisexuell bezeichnet, ist radikaler als Letta und eine waschechte „Linke“, so wie Meloni eine selbstbewusst auftretende „Rechte“ ist. Die Zeit der großen Koalitionen, die von der „Lega“ bis zur „Bewegung der fünf Sterne“ und dann von letzterer bis zum PD reichten und dementsprechend profillos blieben, ist vorbei.
Dass nun zwei junge Frauen Protagonisten der italienischen Innenpolitik sind, zeigt auch das Misstrauen der Basis gegenüber den „alten, weißen Männern“ und erklärt, warum die italienische Öffentlichkeit beide klaglos akzeptiert hat. Meloni hat noch keinen Fehler gemacht und Schlein konnte noch keinen machen. Der Schlagabtausch zwischen Linken und Rechten kann beginnen
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