Im Jahr 2023 geht eine Ära zu Ende. Zum letzten Mal gibt der Software-Publisher Electronic Arts(EA) die beliebte Computerspiel-Reihe „FIFA“ heraus. Seit 1994 erscheint der Fußballsimulator jedes Jahr in einer neuen Auflage. Spieler haben dort die Möglichkeit, in die Rolle eines Fußballmanagers zu schlüpfen und den ausgewählten Original-Verein mit den Original-Spielern zur Meisterschaft zu führen. „FIFA 23“ ist nun das vorerst letzte Spiel aus der EA-Reihe, denn kürzlich hat der Weltfußballverband FIFA angekündigt, die Lizenzen zur Nutzung der offiziellen Vereinsnamen und Ligen nicht mehr an EA zu vergeben, sondern bald auf eigene Faust einen Fußballsimulator herauszugeben.
Fernab von Facebook-Fieslingen oder Twitter-Trollen
Beim aktuellen (und vorerst letzten) „FIFA 23“ gibt es nun ein neues Feature, das von manchem als eine große Errungenschaft gefeiert wird: Wer möchte, kann in den Einstellungen „kritische Kommentare“ deaktivieren. Dabei geht es nicht um freche Facebook-Fieslinge oder terroristische Twitter-Trolle, die gemeine Dinge über einen ins Internet schreiben. Nein, es geht tatsächlich um die im Spiel integrierten Fußballkommentatoren.
Dabei wurden die Sprüche von echten Fußballkommentatoren aufgezeichnet und je nach Situation vom Spielalgorithmus eingespielt. Da kann es durchaus schon vorkommen, dass der digitalisierte Kommentator einen schlechten Pass als „schlechten Pass“ bezeichnet oder bemängelt, dass man als Computerspieler einer bestimmten Mannschaft selbst zu wenig Ballbesitz hat. Mich persönlich hat das nie gestört, zumal diese Kommentare dem Spiel eine größere Authentizität gegeben haben. Ich erinnere mich an ältere „FIFA“-Ausgaben, da haben mir bei einer vergebenen Großchance die Kommentatoren durchaus mal Sätze um die Ohren gehauen wie: „Oh Mann, das sind doch alles Profis. Wenn er den nicht reinmacht, nehmt ihn raus, dann macht ihn der Busfahrer rein!“ Oder, wenn ich den Ball weit am Tor vorbeigeschossen habe: „Tja mein Lieber, das sieht aus wie Eckfahnenzielschießen.“
Safe Spaces und Trigger-Warnungen nun auch im Fußball
Nun gibt es offenbar Entscheider, die glauben, es sei gut, PC-Spieler vor Kritik auf dem virtuellen Rasen zu bewahren. Damit schließen sich die Entwickler einem Trend an, der bereits in anderen gesellschaftlichen Bereichen Einzug gehalten hat. Es wurde bereits viel über sogenannte „Safe Spaces“ an Universitäten berichtet, wohin Studenten sich zurückziehen können, weil ihnen dort garantiert wird, dass sie in diesen Räumen nicht mit unangenehmen (anderen) Meinungen konfrontiert werden. Auch die sogenannten „Trigger-Warnungen“ setzen sich langsam durch.
So soll es zum Beispiel schon Universitätsbibliotheken geben, die beispielsweise Goethes „Werther“ mit einer „Trigger-Warnung“ versehen, um Literaturstudenten mental darauf vorzubereiten, dass es in diesem Stück unter anderem um das Thema Suizid geht. Und nun werden auch in Fußball-Computerspielen mögliche Steine des Anstoßes (Wortspiel nicht beabsichtigt) ausgeräumt, damit sich bloß niemand kritisiert oder in seiner Komfortzone angegriffen fühlt.
Vorsicht vor Verlogenheit
Sicher ist es ein Fortschritt, wenn in einer Gesellschaft mehr Achtsamkeit geübt wird im Umgang mit Worten und im Umgang mit den Gefühlen der Anderen. Auf der anderen Seite darf es nicht umschlagen in eine Kultur der Verlogenheit, die Kritik am Anderen ausspart, in der die Macht der „Gefühle“ die Wahrheit tötet.
Der britische Comedian Ricky Gervais hat es mal gut auf den Punkt gebracht: „Wie arrogant kann man sein, wenn du glaubst, dass du es verdienst, durchs Leben zu gehen, ohne dass jemand jemals etwas sagt, was dir nicht passt oder was dir nicht gefällt?“
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