Politik

Fest ohne Terror

Karakosch, Mossul, Bagdad: Wie die Christen im Irak Weihnachten gefeiert haben. Von Bodo Bost
Christen feiern in Erbil
Foto: dpa | Große Freude herrschte unter geflüchteten Christen in Karakosch, als die Stadt vom IS befreit worden war. Nun konnte dort auch Weihnachten gefeiert werden.

Erstmals seit vielen Jahren kam es im Nahen Osten an Weihnachten nicht zu Terrorakten gegen Christen: So füllten viele Gläubige an Heiligabend die Kirchen in der irakischen Stadt Karakosh, südöstlich von Mosul, die als Hauptstadt der Christen des Iraks gilt. Es ist nun schon das zweite Weihnachtsfest nach der Befreiung der Stadt vom „Islamischen Staat“ (IS), dessen Truppen fast drei Jahre dort gewütet hatten. In der Großen Kirche der Unbefleckten Empfängnis hat nun ein Weihnachtsgottesdienst in einer vollen Kirche stattfinden können. Die Christen im Irak wie im gesamten Nahen Osten haben Weihnachten in der Hoffnung gefeiert, dass die Welle extremistischer, anti-christlicher Gewalt tatsächlich abgeklungen sein könnte.

Im Fokus des IS-Terrors

Die Christen im Irak stehen seit der US-Invasion von 2003 im Fokus islamistischen Terrors, sie wurden Opfer von Entführungen und Verfolgungen. Viele von ihnen sind daher ausgewandert. Seit 2014 hatte der „Islamische Staat“ fast die Hälfte des Iraks unter seine Kontrolle gebracht. Die christlichen Städte in der Ebene von Ninive, dem christlichen Zentrum des Irak, wurden zerstört und ihre Bewohner mussten in die kurdische Autonome Region flüchten, wo sich dann viele entschieden, ein neues Leben in der Flucht zu suchen. Ein Hoffnungsschimmer erschien jedoch im Oktober 2017, als der IS aus der Ninive-Ebene vertrieben wurde und christliche Städte wie Karakosh, die einst die Heimat von etwa 50 000 Menschen waren, und kleinere Städte in der Nähe wiedererobert wurden. Letztes Jahr kehrten einige Christen nach Karakosh zurück und begannen mit dem Wiederaufbau ihrer zerstörten Kirchen und Häuser.

Karakosh wurde zu einem wichtigen Symbol, weil es die größte christliche Stadt im Irak war. In anderen Städten, etwa in Bagdad, sind Christen eine kleine Minderheit, aber Karakosh steht für die Möglichkeit, dass christliche Gemeinschaften im Irak wieder aufgebaut und dort auch neu gedeihen können.

In der Stadt konnten dank Spenden aus dem Ausland im letzten Jahr 300 Häuser wieder aufgebaut werden, Hunderte von Menschen sind zurückgekehrt. In der Mar Yohanna Kirche läuten wieder die Glocken zum Gottesdienst. Die Menschen litten schrecklich unter der Kontrolle des IS. Häuser wurden geplündert und verbrannt. Der IS riss die Kreuze und Kirchtürme der Kirchen nieder. Es versprühte antichristliche Graffiti und verwandelte sogar eine der Kirchenanlagen in eine Bombenfabrik. IS-Terroristen enthaupteten Bilder der Jungfrau Maria und enthaupteten sogar Statuen von Pferden, die an St. Georg erinnern.

Langsame Rückkehr der Normalität

Nach Mosul, dem einstigen Zentrum des IS-Kalifats im Irak, sind bislang erst wenige Christen zurückgekehrt. Der Wiederaufbau von Kirchen ist hier nur ein Teil des Problems. Christen sorgen sich um Sicherheit und Stabilität. Allerdings freuten sich die wenigen nach Mosul zurückgekehrten Christen, dass der Papst am 22. Dezember der Wahl der Synode der Chaldäer zugestimmt hat und den Dominikaner Najib Michaeel zum neuen Erzbischof von Mosul im Nordirak ernannt hat. Die französischen Dominikaner hatten seit 1750 einen erheblichen Anteil daran, dass sich die Christen des Iraks, vor allem die Chaldäer, wieder neu organisiert hatten und zu einer starken Gemeinschaft geworden waren. Diese Bischofsernennung war ein wichtiges Symbol ebenso wie der Besuch von Kardinal Pietro Parolin zu Weihnachten in dieser einstigen Hauptstadt des islamistischen Terrors gegen die Christen. Die irakische Regierung hat Kardinal Parolin sogar zugesichert, dass Weihnachten künftig ein staatlicher Feiertag sein wird. Obwohl Mosul seine einstige christliche Gemeinde noch nicht wiedergefunden hat, hat die Stadt jetzt aber mindestens einen Erzbischof. Der Posten des Erzbischofs war seit 2015 vakant, als sein Vorgänger, Bischof Amel Nona, mit all seinen Gläubigen geflohen war. Er wurde kurz danach zu dem Beauftragten der chaldäischen Kirche in Australien ernannt. Dessen Vorgänger Bischof Faraj Rahho war 2008 nach nur sieben Jahren im Amt zunächst entführt und dann von Islamisten ermordet worden. Dies war bereits ein klares Zeichen für das Martyrium das bald danach die gesamte Kirche von Mosul treffen sollte.

Auch in Bagdad, das zwar nicht vom IS besetzt war, aber jahrelang Frontstadt war, besteht die Hoffnung, dass die Tragödien der jüngsten Vergangenheit vorbei sind. „In dieser Stadt besiegt das Leben immer den Tod“, schrieb eine Frau auf Twitter. In Bagdad wurde in einem Vergnügungspark ein riesiger Weihnachtsbaum aufgestellt. Die Polizei hielt eine Weihnachtsfeier ab. In einem Artikel auf der Website Middle East Eye wurde eine Nonne zitiert, die bezeugte, dass die Christen in Bagdad in letzter Zeit keine Drohungen erlitten hätten, und die Situation seit einem Jahr stabil sei.

Sorge in Nordsyrien

Auch in Nordsyrien waren die Kirchen zu Weihnachten voll, allerdings ist die Angst zurückgekehrt, obwohl auch dort der IS weitgehend besiegt ist. Die Christen fürchten nach einem Abzug der US-Truppen eine Invasion durch türkische Truppen. Im einstigen Siedlungsgebiet der Khabur Assyrer sind zwar nach dem kurzzeitigen IS-Überfall 2015 nur wenige Assyrer verblieben, aber in den Städten Qamischli und Hassake, wo es noch Garnisonen der syrischen Armee gibt, hält noch eine beträchtliche Anzahl von Christen aus. Für sie beginnt jetzt wieder eine Zeit der Unsicherheit.

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