En Großteil des klassischen Feminismus führt derzeit einen harten Kampf gegen die Queer- oder LGBT-Ideologie. Der Streit geht auf die sogenannte dritte Welle des Feminismus zurück. Die dritte Feminismus-Welle entstand in den 1990er Jahren als Antwort auf die Kritik einer Vielzahl von Frauen, laut denen sich die feministische Diskussion auf einen bestimmten Frauentyp (westlich, weiß, heterosexuell, wohlhabend) konzentriert, und deshalb schwarze, marginalisierte, lesbische und transsexuelle Frauen außen vor gelassen habe. In dem „inklusiven“ Feminismus begann sich die von Judith Butler in „Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity“ (1990, deutsch: „Das Unbehagen der Geschlechter“) aufgestellte Queer-Theorie durchzusetzen. Übernahm der aus etlichen, zumeist jungen Feministinnen bestehende „Transfeminismus“ die LGTB-Theorie problemlos, so dass sie vorbehaltslos Transfrauen in ihre Forderungen einbezogen, so lehnte dies der klassische Feminismus ab: Gebe es laut Butler keine Männer und Frauen mehr, sondern nur noch soziokulturelle und variable Geschlechtskonstruktionen, dann habe der Feminismus keinen Sinn mehr.
Gender-Ideologie als unwissenschaftlich und falsch entlarvt
Interessant in diesem Zusammenhang ist der am 13. Februar im Wall Street Journal veröffentlichte Artikel der Biologen Colin M. Wright und Emma N. Hilton mit dem Titel „The Dangerous Denial of Sex“. Darin entlarven sie die Gender-Ideologie als unwissenschaftliche und falsche Theorie.
Obwohl de Autoren eine bei manchen Menschen auftretende sexuelle Ambiguität anerkennen, kritisieren sie scharf die Vorstellung, dass das Männliche und das Weibliche einfache soziale Konstruktionen seien. Sie verteidigen vielmehr den binären Charakter des Geschlechts.
„Das Eine ist zu behaupten, dass sich einige Männer als Frauen ,identifizieren?und umgekehrt. Etwas anderes ist aber der immer häufiger anzutreffende, gefährliche und unwissenschaftliche Trend zur völligen Verleugnung des biologischen Geschlechts“. Denn, so Wright und Hilton weiter, „die Realität des biologischen Geschlechts zu leugnen und sie durch eine subjektive ,Geschlechtsidentität?zu ersetzen, wirft wichtige Menschenrechtsfragen für gefährdete Gruppen, etwa Frauen, Homosexuelle und Kinder auf.“
Kinder und Jugendliche anfällig für Verleugnung des Geschlechts
Wright und Hilton weisen darauf hin, dass Frauen lange Zeit für einen auf dem Geschlecht basierenden Rechtsschutz gekämpft hätten. „Die falsche Ansicht, dass Geschlecht in der subjektiven Identität verankert sei, macht die Umsetzung geschlechtsspezifischer Rechte unmöglich.“ Auch für die Homosexualität hat diese Theorie Folgen, denn „eine gleichgeschlechtliche Anziehungskraft hätte ohne die Unterscheidung von Geschlechtern keinen Sinn.“
Besonders anfällig für die Verleugnung des biologischen Geschlechts seien aber Kinder und Jugendliche: „Wird ihnen beigebracht, dass Gender auf Identität statt auf Biologie beruht, so können Geschlechtskategorien leicht mit regressiven Stereotypen von Männlichkeit und Weiblichkeit verwechselt werden. Es könnte bei maskulinen Mädchen und weiblichen Jungen zur Verwirrung kommen. Die ,Pathologisierung?geschlechtsatypischen Verhaltens ist außerordentlich beunruhigend und regressiv.“ Der Artikel endet mit einem Paukenschlag, der mit der Ansicht mancher Feministinnen übereinstimmt: „Die Schonzeit in diesem Bereich ist vorbei. Biologen und Mediziner müssen sich der empirischen Realität des biologischen Geschlechts stellen.“
Die Auseinandersetzung des traditionellen Feminismus mit der Queer-Bewegung betrifft allerdings darüber hinaus weitere Felder, insbesondere Prostitution, Pornographie oder Leihmutterschaft.
Der Transfeminismus verteidigt einen dritten Weg
Die meisten Feministinnen befürworten zwar die Abschaffung der Prostitution, andere sprechen sich aber für deren Legalisierung aus. Der Transfeminismus verteidigt hingegen einen dritten Weg, den der Reglementierung, denn ein bedeutender Teil transsexueller Frauen sind zur Prostitution gezwungen. Deshalb fordern sie würdigere Bedingungen. Pornographie wird vom traditionellen Feminismus für eine Quelle der Gewalt gegen Frauen gehalten, weshalb er sie abschaffen möchte, was jedoch andere Feministinnen als „Puritanismus“ abtun.
Ein größerer Konsens herrscht unter Feministinnen gegen die Leihmutterschaft, die von der Homosexuellen-Lobby indessen gefordert wird. Denn sie erweist sich als eine der wenigen Möglichkeiten, damit Schwule und Transsexuelle eine Familie gründen können.
Kämpft die LGBT-Bewegung darin wie in anderen Bereichen auch mit Erfolg, so legt sich der Feminismus selbst in einem „Schwesternkrieg“ lahm: Auf der einen Seite ist der Transfeminismus davon überzeugt, dass er mit mehr Verbündeten und Konflikten stärker wird.
Auf der anderen Seite macht der traditionelle Feminismus die LGBT-Ideologie als ein regelrechtes trojanisches Pferd des Feminismus, als einen mächtigen Feind aus, der mit seiner starken Lobby die eigentliche feministische Bewegung zerstören könnte.
Aus dem Spanischen von José Garcia
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