Sie ist die älteste europäische Einigungsbewegung in Deutschland: die Paneuropa-Union. Am vergangenen Wochenende kam sie zu ihrem alljährlichen Jahreskongress zusammen. Dieses Mal stand er unter besonderen Vorzeichen. Gegründet in den 20er Jahren von Richard von Coudenhove-Kalergi als Reaktion auf die Folgen des Ersten Weltkrieges, viele Jahrzehnte von Otto von Habsburg geleitet, pflegt sie, obwohl überparteilich und überkonfessionell, ein starkes christliches Profil. Franz Josef Strauß und Alfons Goppel gehörten ihr genauso an wie Konrad Adenauer. Vielen galt sie deswegen auch immer als eine Art Vorfeld-Organisation der Union, vor allem aber der CSU. Doch die Europa-Begeisterung bei Konservativen und Christdemokraten – das zeigt sich auch im immer noch schwelenden Schwesternstreit zwischen CDU und CSU – ist längst nicht mehr so stark wie einst. Die Selbstverständlichkeit, mit der vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit das europäische Einigungsprojekt vor allem von Christdemokraten und Konservativen vorangetrieben wurde, ist mittlerweile oft einer Skepsis gegenüber der EU und ihren Institutionen gewichen. Eine Entwicklung, die die Paneuropa-Union umtreiben muss. Freilich, das zeigte der Kongress, reagiert sie auf diese Situation nicht mit Panik, sondern selbstbewusst.
Nein, die EU sei nicht daran schuld, dass es noch keine europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik gebe, erklärte denn auch Bernd Posselt, der Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, gegenüber dieser Zeitung. Schon vor 20 Jahren habe es Vorschläge gegeben, wie eine europaweite Antwort auf die Flüchtlingsfrage aussehen könnte. Beispielsweise durch einen besseren Schutz der Außengrenzen. Bernd Posselt hat damals im Europaparlament solche Lösungen als CSU-Abgeordneter mit formuliert. „Dass sie nicht umgesetzt worden sind, lag nicht an Europa. Es lag an den Nationalstaaten, die Angst hatten, Kompetenzen abzugeben.“ Nun räche sich der Fehler deutlich. Nur sei es eben unredlich, ihn der EU vorzuhalten, ist das CSU-Vorstandsmitglied überzeugt.
Dass es allerdings bald zu einer Lösung der Flüchtlingsfrage kommen müsse, ist für ihn klar. Nur aber eben nicht verbunden mit einer aus seiner Sicht unverhältnismäßigen EU-Kritik. Ein Ansatz, der zu jüngsten Äußerungen von Markus Söder passt. Am vergangenen Samstag hatte der bayerische Ministerpräsident in einem Artikel für die „Welt“ erklärt, wie er seine Politik verstehe und wie er dazu beitragen wolle, Populismus zu bekämpfen und nicht etwa anzuheizen. Söder warnte vor einer „Belehrungsdemokratie“, in der die Sorgen der Bürger nicht mehr ernst genommen würden. Dabei bezog er sich vor allem auf die Flüchtlingsfrage. Das schloss aber auch die Kritik an Fehlentwicklungen in der EU mit ein. Gleichwohl aber schloss Söder – und das dürfte in Paderborn bei manchem für ein Aufatmen gesorgt haben – mit dem Bekenntnis zu Europa; für einen christdemokratischen Konservativen, so machte er deutlich, sei dies eben doch eine Selbstverständlichkeit. Bernd Posselt argumentiert gegenüber dieser Zeitung ähnlich: „Wir haben zu viel Europa im Kleinen. Wir brauchen mehr Europa im Großen. Im Wesentlichen blockieren die Nationalstaaten die Einigung, im Unwesentlichen treiben sie sie voran.“ Unwesentlich seien etwa bürokratische Detailregelungen, die im Sinne der Subsidiarität besser vor Ort geregelt werden könnten. Wesentlich sei aber eben eine europaweite Regelung der Asylfrage. Aktuell befinde man sich daher in einem entscheidenden Augenblick. Umso bedeutsamer sei es, dass Christen diese Phase mitgestalteten. Posselt, der auch dem Kuratorium des Forums Deutscher Katholiken angehört, könne zwar verstehen, dass viele davon enttäuscht seien, wie der gesellschaftliche Einfluss von Christen schwinde. Aber es sei nicht zutreffend, wenn man der EU unterstelle, sie sei anti-christlich. „Europa kann nicht christlicher sein als seine Menschen.“ Christen hätten die Aufgabe zu gestalten. „Wir sollten uns auf das Wort Joseph Ratzingers von der ,schöpferischen Kraft der Minderheiten‘ besinnen.“