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BRICS: Eine Ressentimentgemeinschaft - keine Wertegemeinschaft

Auch mit sechs weiteren Staaten können die von China und Russland dominierten BRICS-Staaten dem Westen kaum gefährlich werden.
BRICS
Foto: IMAGO/Xie Huanchi (www.imago-images.de) | Xi Jinping spricht bei der Abschlusspressekonferenz der BRICS- Konferenz in Johannesburg.

Die diese Woche im südafrikanischen Johannisburg zusammengekommene Gruppe der BRICS-Staatengemeinschaft – bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – wird größer: Sechs weitere Länder, nämlich Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Argentinien, Ägypten und Äthiopien sollen zum 1. Januar 2024 aufgenommen werden, wie der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa am Donnerstag zum Abschluss des BRICS-Gipfeltreffens ankündigte.

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China und Russland suchen die Konfrontation

Selbstverständlich nutzten vor allem China und Russland (der aufgrund seiner Kriegsverbrechen in der Ukraine mit internationalem Haftbefehl gesuchte russische Diktator Wladimir Putin ließ sich sicherheitshalber zum Gipfel lediglich zuschalten) die Gipfel-Bühne, um zu demonstrieren, dass das dezidiert die globale Hegemonie des Westens brechen wollende BRICS-Bündnis vor lauter Kraft kaum gehen könne und Amerika, Europa und deren Verbündete sich schon einmal hinsichtlich der Internationalen Beziehungen der kommenden Jahre warm anziehen sollten. Doch wie immer hält die prahlerische Bluff-Show der Autokraten einem Realitätscheck nicht stand.

Präsident Xi Jinping mit Teilnehmern der BRICS - Konferenz in Johannesburg
Foto: IMAGO/Li Xueren (www.imago-images.de) | Präsident Xi Jinping mit Teilnehmern der BRICS - Konferenz in Johannesburg.

Zunächst ein kleiner Blick auf die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen: In der Tat beeindrucken auf den ersten Blick die reinen Zahlen, die mit der Erweiterung des Staatenbundes einhergehen. So wird innerhalb der BRICS-plus-Staaten knapp die Hälfte der Weltbevölkerung leben, zudem erhöht sich der Anteil der Mitgliedstaaten am kaufkraftbereinigten globalen Bruttoinlandprodukt auf 37 Prozent und liegt damit höher als jener der G-7-Industrienationen mit rund 30 Prozent. Außerdem gehören ab Januar sechs der neun größten ölproduzierenden Länder dem Bündnis an - vor allem mit Blick auf die Vereinten Nationen, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds erhoffen sich China und Russland stärkeren Einfluss. Zudem träumt das wirtschaftlich gegenwärtig strauchelnde China gar von einem Aufstieg der eigenen Währung Renminbi zum „Anti-Dollar“ beziehungsweise zur Weltersatzwährung.

Eine Allianz von Erzfeinden und regionalen Zaunkönigen

Doch der Teufel steckt wie immer im Detail: So haben die sechs Neuzugänge, die schon bald zu den bisherigen BRICS-Staaten hinzustoßen wollen, ein Bruttoinlandsprodukt von rund 3,2 Billionen US-Dollar – und liegen damit gemeinsam unterhalb des Bruttoinlandproduktes Deutschlands mit vier Billionen US-Dollar. Außerdem wird die BRICS-Gruppe durch ihre Erweiterung in geopolitischer Hinsicht noch heterogener als bereits zuvor: Denn neben den Erzfeinden China und Indien werden nun noch die regionalen Platzhirsche und Antagonisten Saudi-Arabien und Iran sowie Ägypten und Äthiopien dem Bund beitreten – und außer einer gewissen inneren Reserve gegenüber dem Westen verfügt dieser augenscheinlich vollkommen inkompatible Mix aus Diktaturen, leidlich funktionierenden Demokratien und Gottesstaaten kaum über Gemeinsamkeiten.

Seien wir ehrlich: Weder hinsichtlich der eigentlichen Stoßrichtung, die das BRICS-Bündnis einschlagen, noch bezüglich der Vehemenz, mit der dem Westen auf internationaler Bühne Paroli geboten werden sollte, herrscht Einigkeit innerhalb der erweiterten Staatengemeinschaft – wie man unter anderem beispielsweise an Brasiliens und Indiens moderatem Kurs gegenüber dem Westen erkennen kann. Denn sowohl Lula als auch Modi wissen: Den Westen kann man eventuell noch einmal gut brauchen – möglicherweise gegen die neuen „Freunde“.

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