Am 7. März 2021 kommt in der Schweiz die Initiative „Ja zum Verhüllungsverbot“ zur Abstimmung vor das Volk. Diese verlangt, dass sich landesweit niemand im öffentlichen Raum das Gesicht verhüllen darf. Ausnahmen wären nur aus Gründen der Sicherheit, der Gesundheit, des Klimas und des einheimischen Brauchtums möglich. Auch wenn es bei der Initiative um verschiedene Verhüllungsformen geht, wie zum Beispiel die Vermummung von Demonstranten sowie Hooligans, scheint klar: Die eigentliche Debatte dreht sich um die islamischen Verschleierungsformen.
Vermummungsverbot
Die Initiative greift letztlich nur Forderungen auf, die in einigen Kantonen der Schweiz bereits umgesetzt sind. So gibt es ein Vermummungsverbot für Kundgebungen in den Kantonen Basel-Stadt, Zürich, Bern, Luzern, Thurgau, Solothurn und St. Gallen, um Angriffen auf Sicherheitskräfte und Sachbeschädigungen entgegenzuwirken. Allgemeine Verhüllungsverbote existieren in den Kantonen Tessin und St. Gallen. Damit bildet die Schweiz keine Ausnahme in Europa. Verhüllungsverbote haben bereits Frankreich, Österreich, Dänemark, Belgien, Bulgarien, die Niederlande sowie Teile Spaniens und Italiens eingeführt.
Sicherheitsgefühl in Gefahr
Oft waren sicherheitspolitische Aspekte ausschlaggebend für die Einführung. So gefährdet eine Vermummung oder Vollverschleierung nicht nur das Sicherheitsgefühl europäischer Gesellschaften, auch in afrikanischen Ländern ist das Verhüllungsverbot ein Thema bei Sicherheitsfragen, zeigt der „Erläuternde Bericht zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot“ des schweizerischen Bundesamtes für Justiz.
Trotzdem wird die Einführung eines landesweiten Burka-Verbots, wie die Initiative auch landläufig genannt wird, vom Bundesrat abgelehnt und gesellschaftlich heiß diskutiert. Neben sicherheitspolitischen Aspekten spielen auch wirtschaftliche und kulturelle Punkte eine Rolle. Entsprechend treffen verschiedenste Interessensgruppen mit je unterschiedlichen Argumenten aufeinander. Eines ist jedoch allen gemeinsam: Der Dreh- und Angelpunkt, um den die gesamte Debatte kreist, ist der Islam.
Rückgang von arabischem Tourismus
In der Tourismusbranche befürchtet man beispielsweise einen Rückgang von Touristen aus arabischen Ländern. Denn laut „Tourismus Monitor Schweiz“ belegen die Golfstaaten beim Tagesumsatz pro Person den ersten Platz. Ein Blick auf die Nachbarländer zeigt jedoch, dass die Befürchtung unbegründet ist: In Frankreich stellte man nach Einführung des Verhüllungsverbots 2011 keine direkten Auswirkungen fest und auch Österreich verzeichnet seit der Einführung des Verhüllungsverbots im Jahr 2017 mehr arabische Touristen als vorher.
Politisch scheut man sich hingegen vor einem landesweiten Verhüllungsverbot, weil man nicht in die Autonomie der Kantone eingreifen möchte. Doch auch wenn dem Föderalismus in der Schweiz ein großer Stellenwert zugeschrieben wird: Beim Verhüllungsverbot geht es nicht nur um Sicherheitsfragen, für welche in der Tat in erster Linie die Kantone zuständig wären. Die problematischen Fragen bezüglich Verhüllung betreffen die gesamte Schweiz. Entsprechend gab es in den letzten Jahren bereits mehrere nationale Vorstöße, die jedoch vom Bundesrat oder Parlament abgelehnt oder auf Eis gelegt wurden. Dem Volk als Souverän bleibt nun dank der direkten Demokratie die Möglichkeit, ein landesweites Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit durchzusetzen, vor dem sich Bundesrat und Parlament so lange scheuten.
„Dem Volk als Souverän bleibt nun die Möglichkeit,
ein landesweites Verhüllungsverbot
in der Öffentlichkeit durchzusetzen“
Auch wenn es vermutlich noch nicht allzu viele Burka- oder Nikabträgerinnen in der Schweiz geben mag, so ist die islamische Vollverschleierung ein Phänomen, das aus islamischen Ländern nach Europa und in die Schweiz transportiert wurde und das von vielen unterschätzt wird. Denn beim Kern der Frage um das Verhüllungsverbot geht es nicht um die Anzahl von Burkaträgerinnen, sondern um ein Prinzip.
Diskriminierung durch Burka
Ein Blick hinter die Kulissen beziehungsweise Prinzipien des Islam beim Umgang mit Frauen zeigt: Die Burka wie auch andere Formen des islamischen Schleiers entspringen einer diskriminierenden Sichtweise auf die Frau. So erlegt der Islam gläubigen Muslimen auf, den „unzüchtigen Teil“ ihres Körpers vor den Blicken anderer zu bedecken. Ist beim Mann der unzüchtige Teil als Bereich vom Bauchnabel bis oberhalb der Knie definiert, so ist es bei der Frau hingegen der gesamte Körper. Schon früh wird den Frauen eingeimpft, ihr Körper sei die Quelle größter Probleme. Der Mann werde durch die sexuelle Anziehungskraft des weiblichen Körpers vom geraden Weg abgebracht, dem er laut Allah zu folgen habe. Deshalb solle sich die Frau entsprechend verhüllen.
„Ein Verhüllungsverbot ist ein Bekenntnis
zu einer transparenten und sicheren
Gesellschaftsordnung ohne Unterdrückung“
Sicht auf den Menschen
Der Islam macht hier (wie auch bei anderen Themen) einen grundlegenden Unterschied in der Behandlung von Mann und Frau. Müsste diese Sichtweise nicht einen lauthalsen Schrei aller Feministinnen hervorrufen? Und auch aller Männer? Schließlich stehen sie im Dauerverdacht, sich und ihre Triebe nicht beherrschen zu können. Klar ist in jedem Fall, dass ein solch stigmatisierendes Menschenbild nicht zu vereinbaren ist mit den Freiheitsrechten westlicher Demokratien und dem
Prinzip, dass jeder Mensch mit der gleichen Würde ausgestattet ist. Nicht umsonst finden sich unter den Befürwortern des Verhüllungsverbots zahlreiche Musliminnen, Ex-Musliminnen und Frauenrechtlerinnen, die betonen, dass die Vollverschleierung nicht zu rechtfertigen ist. Als ein Hauptbanner des politischen Islam stellt sie neben der Unterdrückung von Frauen ein Zeichen der Ablehnung gegenüber der Schweizer Gesellschaft und ein klares Integrationshindernis dar.
Die alles entscheidende Frage bei der Abstimmung ist also: Entspricht diese Sichtweise auf den Menschen den Werten, welche die Schweiz ausmachen? Durch ein Verhüllungsverbot wird weder die Religionsfreiheit noch das Demonstrationsrecht eingeschränkt. Im Gegenteil: Ein Verhüllungsverbot ist ein Bekenntnis zu einer transparenten und sicheren Gesellschaftsordnung ohne Unterdrückung, in der das Gesicht des Gegenübers jederzeit offen zu sehen sein sollte.
Beatrice Gall ist Geschäftsführerin und Redaktionsleiterin der Stiftung Zukunft CH.
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