Ein Symbol für gelungene Integration, das sollte die am vergangenen Samstag eröffnete Kölner Ditib-Moschee einmal sein. Dieser Traum ist geplatzt. Mit dem Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist viel Porzellan zerschlagen worden. Die türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) zieht eine kritische Bilanz der Moschee-Eröffnung. Erdogan habe „einen Scherbenhaufen hinterlassen, der nur mühsam zusammengekehrt werden kann“, sagte der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland am vergangenen Montag. Der 1995 gegründete Verband vertritt bundesweit nach eigenen Angaben 260 Einzelvereine und insgesamt 60 000 Mitglieder.
Weitaus größer ist ein Verband, der nach der Eröffnung der Moschee in Köln wieder in die öffentliche Kritik geraten ist, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V, abgekürzt besser unter Ditib bekannt. Der 1984 in Köln gegründete Verband vertritt nach Eigenangaben 900 Moscheevereine in Deutschland. Die Gesamtmitgliederzahl des Verbandes liegt bei 150 000. Der Einfluss des Verbandes dürfte aber weitaus höher liegen. Für Kritiker stellt Ditib den verlängerten Arm des türkischen Staates in Deutschland dar. Das ist nicht so weit hergeholt, denn die Verquickung zwischen Ditib und dem türkischen Staat sind enorm. So untersteht Ditib der Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, welches dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert ist. Der Vorsitzende der Ditib ist in Personalunion auch türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten. Zudem werden die an staatlichen theologischen Hochschulen in der Türkei ausgebildeten Imame der Ditib für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und sind so Beamte des türkischen Staates, von dem sie auch bezahlt werden.
In der Kritik stehen die Ditib-Imame vor allem deshalb, weil sie immer wieder mit dem türkischen Geheimdienst zusammenarbeiten sollen. Nach dem vermeintlichen Putschversuch 2016 wurden die Vorbeter angewiesen, Informationen über Erdogan-Kritiker sowie Personenfotos über vermeintliche Landesverräter zu liefern. Der Ditib-Bundesverband leugnete zunächst, dass Gemeinden eine solche Anweisung erhalten hatten. Später rückte Sprecher Bekir Alboga von dem Dementi ab und räumte ein, dass die Imame in Deutschland über die türkischen Generalkonsulate aufgefordert worden waren, beispielsweise über die Gülen-Bewegung zu berichten.
Spionage-Aktivitäten werden vermutet
Inzwischen hat der Moscheeverband das Bundesamt für Verfassungsschutz auf den Plan gerufen. Dieses hat vor wenigen Wochen ein vertrauliches Dossier mit Informationen über Ditib an die Landesämter verschickt. Diese sollen nun bis Mitte Oktober das Material prüfen und eine Stellungnahme abgeben, ob der Verband zukünftig Verdachtsfall oder sogar ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sein soll. Das Bundesamt beruft sich darauf, dass man festgestellt habe, dass einzelne Ditib-Moscheegemeinden vor allem im Zusammenhang mit der türkischen Militäraktion in Nordsyrien verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelt und dementsprechende Äußerungen getätigt hätten. Nach dem vergangenen Samstag hat die Diskussion um die Überwachung durch Sicherheitsdienste noch einmal Fahrt aufgenommen. Aus der Politik kommen nun klare Signale an den Moscheeverband. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Mathias Middelberg fordert einen Kurswechsel bei Ditib. Wer nicht als Religionsorganisation handelt, sondern der verlängerte Arm eines „autokratischen Staatspräsidenten“ ist, unter dessen Dach Erdogan-Kritiker bespitzelt würden, könne kein Kooperationspartner mehr sein. Im Hinblick auf eine Beobachtung des Verbandes durch den Verfassungsschutz ist Middelberg allerdings kritisch, ob hier schon die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Middelbergs Amtskollege Burkhard Lischka (SPD) fordert angesichts der Bespitzelungsvorwürfe „eine sorgfältige Prüfung durch den Verfassungsschutz, ob eine Beobachtung erforderlich, möglicherweise sogar unumgänglich ist“. Für den SPD-Politiker stellt Ditib „einen treuen Außenposten Erdogans in Deutschland“ dar. Mit seiner politischen Ausrichtung verschärfe der Verband die Spannungen in der türkischstämmigen Bevölkerung. Der Integration würde so ein „Bärendienst erwiesen“. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), in dessen Bereich sich die Ditib-Zentrale befindet, gibt sich bei einer Überwachung sehr viel zurückhaltender. Bei Ditib sei nicht ausgemacht, ob überhaupt und in welcher Form eine Beobachtung stattfinden werde, so Reul. Deutlicher wird der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete, Volker Beck. Für ihn ist Ditib längst ein Fall für die Spionageabwehr. Ditib habe sich in den vergangenen Jahren „nicht in Richtung einer muslimischen Religionsgemeinschaft in Deutschland, sondern eher zu einem identitären Diasporaverein entwickelt“, sagte Beck gegenüber der Welt. Die Politik müsse daher hier endlich klare Kante zeigen.