Fachtagung

Die Kirchen und das liebe Geld

Aktuelle Debatten und Streitpunkte über die Kirchenfinanzierung im Überblick.
Experten im Gespräch
Foto: Tina Flemming/KAS | Experten im Gespräch: Über die Staatsleistungen diskutierten Hans Hofmann, Kirsten Straus, Ansgar Hense und Jörg Antoine (v.l.n.r.).

Man solle alte Schuhe nicht wegwerfen, bevor man die neuen Schuhe in der Hand halte, erklärt Maria Luise Schneider, stellvertretende Direktorin Katholischen Akademie Berlin. Der passende Auftakt zur Fachtagung „Glaube und Geld - Perspektiven der Kirchenfinanzierung“, zu der die Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit der Katholischen Akademie Berlin, der Forschungsstelle für katholisches Kirchenrecht und der Herder Korrespondenz Anfang dieser Woche eingeladen hatte. Die Teilnehmer erhielten einen Überblick zu dem Oberthema Kirchenfinanzen und gleichzeitig auch einen Einblick in alle aktuellen Diskussionen rund um Kirchensteuer, Staatsleistungen und Caritas.

Das Auftaktreferat hielt Thomas Sternberg, bis November 2021 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, jetzt Präsident der Kunststiftung NRW. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete aus NRW stellte fest, dass es sich bei der Kirchensteuer um einen Mitgliedsbeitrag der Kirchenmitglieder und nicht etwa um eine staatliche Steuer handele. Obwohl Sternberg die Kirchensteuer grundsätzlich befürwortet, kritisierte er, dass sie zentral an die an die Diözesen zugewiesen werde. Das habe, so Sternberg, zu einem enormen Machtzuwachs der Bischöfe und deren seitdem stark anwachsenden Administrationen geführt. Im Bistum Münster habe etwa  die Verwaltung 1950 30 Personen umfasst, bis zum Jahre 1980 sei sie auf über 400 angestiegen - und habe sich seitdem mehr als verdoppelt.

Kirchenbau und -ausstattung habe sich bis 1950 in der Verantwortung der Gläubigen einer Pfarrei befunden. Schon 1954 habe sich der damalige Generalvikar des Bistums Münster über die „bedrohliche Erscheinung“ beklagt, dass nun etliche Gemeinden Hilfe vom Bistum erwarteten. Grundsätzlich, so  Sternberg führe die Steuer auch aus der Perspektive des  Staates zu einer Win-Win-Situation. Denn ihre Erhebung lasse sich der Staat prozentual vergüten. Die Kosten beliefen sich auf 400 Millionen Euro, die der Staat dafür von der Kirche erhält. Diese Summe stellte Sternberg wiederum den 600 Millionen Euro Staatsleitungen gegenüber.

Drei verschiedene Finanzierungsformen

Im nächsten Panel gab der Staatsrechtler Arnd Uhle aus Leipzig einen Überblick über die unterschiedlichen Formen der Kirchenfinanzierungen in den Ländern Europas. Es existierten drei Grundmodi. Modus Nummer 1: die Zuwendung der Gläubigen. Die Finanzierung ist durch Beiträge und Spenden getragen. Modus Nummer 2: Zuweisungen des Staates. Zu diesen gehören die derzeit in der Diskussion stehenden Staatsleistungen. Zur Frage der Staatsleistungen gab Uhle einen historischen Überblick zur Entstehung dieser Leistungen in Folge der Säkularisation von 1803.

Ferner gehörten zu den Zuweisungen des Staates die Bezahlung des Religionsunterricht und der Anstaltsseelsorge. Das sei in ganz Europa üblich. Und schließlich Modus Nummer 3: die Finanzierung aus Vermögen. Als Beispiel verwies Uhle hier auf Großbritannien. Dort habe es keine Enteignungen gegeben, wie 1803 in Deutschland. So sei die Kirche von England trotz Mitgliederschwund wirtschaftlich auf Grund ihrer stabilen Vermögenssituation gut aufgestellt.

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Die sozialpolitische Relevanz der Kirchenfinanzen nahm Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Freiburg, in den Blick. Die Wissenschaftlerin gab einen Überblick über das breit aufgestellte soziale Engagement der Caritas in Deutschland. Insgesamt, so stellte Nothelle-Wildfeuer. stünden die Formen der Kirchenfinanzen unter einem Rechtfertigungsdruck. Im Fokus  dabei: die Frage nach Staatsleistungen im weiteren Sinn, gerade auch unter den aktuellen Bedingungen der hohen Lebenshaltungskosten, der Inflation und der Herausforderungen des Staatshaushaltes.

Eine selbstverständliche Berufung auf die Tradition und die christliche Prägung Deutschlands seien, so Nothelle-Wildfeuer, nicht mehr überzeugende Erklärungsmuster. Es bedürfe plausibler und sozialethischer Begründungen, betonte sie. Ferner identifizierte die Wissenschaftlerin Anfragen aus der Kirche selbst, die die Frage der Glaubwürdigkeit der Kirche im Umgang mit Geld beträfen. Und  verwies hier sowohl auf die Forderung Papst Franziskus nach der „armen Kirche für die Armen“ als auch auf den Appell Benedikts XVI. zur Entweltlichung der Kirche. Zudem versuchte Nothelle- Wildfeuer die von dem Kirchenkritiker Carsten Frerk beschriebene sogenannte „Caritaslegende“ zu widerlegen. Frerk hatte diese zuerst in seinem Violettbuch Kirchenfinanzen beschrieben. Die Kirche, so Frerk, verschleiere, dass die Sozialeinrichtungen der Kirche vom Staat refinanziert würden. Nothelle-Wildfeuer zeigte dagegen auf, wie komplex die Verflechtungen aus rein kirchlichen, rein staatlichen und zahlreichen gemischten Finanzierungsmodellen seien. Zudem seien staatliche Zuschüsse für Projekte der Caritas nicht höher oder niedriger als bei anderen Wohlfahrtsträgern.

Dienste im Auftrag des Staates

Von der Caritas betriebene Kindergärten, Altersheime, Krankenhäuser, Pflegedienste, aber auch kirchliche Schulen werden im Auftrag des Staates betrieben. Eben dieser staatliche Auftrag, so Nothelle-Wildfeuer, begründe, dass die Träger dieser karitativen Hilfe für ihre Leistungserbringung festgelegte Regelsätze erhalten und entsprechend von staatlichen Stellen kontrolliert würden. Dies illustrierte sie anhand von Tabellen von Einrichtungen in Duisburg. Auffällig daran war, dass besondere soziale Beratungen, die der Staat nicht vorhält, zu 100 Prozent aus Caritasmitteln bestritten werden. Nicht der Staat unterstützt die Kirche, schlussfolgerte sie, sondern die Kirche unterstütze vielmehr den Staat bei  der Erfüllung seiner sozialen Verpflichtungen.

Als letztes Panel der Tagung schloss sich eine Diskussion um die Ablösung der Staatsleistungen an. Während in der letzten Legislaturperiode die Initiative zur Ablösung dieser Leistungen aus der Opposition kam, handelt es sich nun um ein Projekt der Regierungskoalition. Ansgar Hense, Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, moderierte dieses Panel. Der Staatsrechtler Hans Hofmann von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin nahm zunächst eine rechtshistorische Einordnung vor. Es handelt sich um Entschädigungen für nicht mehr zu generierende Erträge aus Kirchengütern, die 1803 in Folge des Reichsdeputationshauptschlusses enteignet wurden. Diese Enteignungen waren Kompensationen für Gebiete, die durch Eroberungen Napoleons verloren gegangen waren. Die Kirchen wurden nicht nur von ihrer weltlichen Macht befreit, es wurden ihnen rund 10.000 Quadratkilometer Land enteignet. Dadurch, so Hofmann, seien die Kirchen in Finanznot geraten, was dann durch die Einführung der Finanzleistungen kompensiert wurde. Sie sollen nun abgelöst werden.  Aber es stellt sich die Frage: In welcher Höhe?

Die Direktorin des Zentralbereichs „Ressourcen“ im Bistum Trier, Kirsten Straus, stellte dar, was im Falle einer solchen Ablösung ein „fair value“ sei. Ausgehend davon, dass es sich bei den Staatsleistungen um eine permanente Zahlungsreihe handele, für die kein Endpunkt vorgesehen sei, handele es sich um eine sehr kostenintensive Zahlungsreihe. Ausgehend von einem langfristigen nominalen Zinssatz von einem Prozent, was ein realer Wert sei, ging Strauß von einem Wert aus, der beim Hundertfachen der gegenwärtigen Staatsleistungen liege. Die Herausforderung für die Bistümer bestünde darin, in Folge einer Ablösung gleich hohe Erträge wie durch die jetzigen Staatsleistungen aus dem neuen Vermögen zu erwirtschaften. Die Kirchen bekämen im Falle der Ablösung viel Geld, das angelegt werden müsse.

Jörg Antoine vom Dezernat Finanzmanagement–Informationstechnologie der Evangelische Landeskirche in Württemberg ergänzte, die aktuelle finanzielle Situation der Bistümer mache die Frage der Ablösung nicht einfacher. Denn in einigen Bistümern machten die Staatsleistungen bis zu einem Drittel des Haushalts aus. Antoine vertrat die Ansicht, man könne die Ablösung nicht hinauszögern, da die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Zahlungen abnehme. In seinem Schlusswort bezeichnete Angar Hense die Tagung als eine Zwischenetappe in der aktuellen Debatte. Wie mag es weitergehen?

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