Die Ukraine zählt zu den ärmsten Ländern Europas. 2020 betrug das BIP pro Kopf dort rund 3.111 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland lag das BIP pro Kopf vergangenes Jahr bei rund 34.488 Euro. Kein Wunder, dass sich hier gleich Dutzende Leihmutterschaftsagenturen niedergelassen haben. Der Platzhirsch hört auf den Namen "Biotexcom". Eine deutschsprachige Webseite offeriert Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Leihmutterschafts-Arrangements inklusive Eizellspende in drei Varianten: Das "All-Inclusive-Standard"-Paket für 39.900 Euro, das "All-inclusive Standard-Plus"-Paket für 49.900 Euro und das "All-inclusive VIP"-Paket für 64.900 Euro. Dabei ermöglicht das VIP-Paket den Bestell-Eltern, das Geschlecht des Kindes im Voraus festzulegen. Auch die Wartezeit ist kürzer. Statt einem Jahr (Standard) oder einem halben Jahr (Standard-Plus) beträgt sie für VIP-Bucher nur noch vier Monate.
Leihmütter mit 8.000 Euro abgespeist
Anders als in den USA, wo Leihmütter umgerechnet rund 21.000 Euro für das Austragen eines Bestell-Kindes erhalten, speist Biotexcom Leihmütter mit 8.000 Euro beziehungsweise 10.000 Euro (bei Zwillingen) ab. Laut einem Mustervertrag, der dieser Zeitung vorliegt, unterwirft sich die Leihmutter dabei einem strengen Reglement. Demnach erklärt sich die Leihmutter nicht nur bereit, bis zu drei Embryotransfers über sich ergehen zu lassen, bei denen ihr jeweils bis zu drei im Labor erzeugte Embryonen eingesetzt werden können, sondern verpflichtet sich auch, auf Elternrechte zu verzichten und "keine Eltern-Kind-Beziehung" zu dem Bestell-Kind aufzubauen.
Mit ihrer Unterschrift tritt sie überdies das Recht auf freie Arztwahl ab und verpflichtet sich, sämtliche Untersuchungen über sich ergehen zu lassen, die die von den Bestell-Eltern ausgewählten Ärzte für erforderlich halten. Damit nicht genug, verpflichtet sie sich auch zur Abtreibung des Kindes für den Fall, dass die Bestell-Eltern dies aufgrund medizinischer Befunde wünschen. Kommt es dazu, wird der Leihmutter auch noch das Honorar gekürzt entsprechend der tatsächlichen Dauer der Schwangerschaft.
"Man muss Gesetz und Ethik trennen"
Homosexuelle wenden sich vor allem in die USA. Zu den größten Fertilitätsdienstleistern zählt hier die 1989 gegründete Firma "Oregon Reproductive Medicine" (ORM). In Portland, der mit rund 640.000 Einwohnern größten Stadt Oregons, unterhält ORM gleich drei Kinderwunschkliniken. Unter der Leitung von John Hesla und Brandon Bankowski erfüllen hier mehr als 100 Ärzte die Wünsche der Bestell-Eltern. Die Webseite "menhavingbabies.com" ("Männer haben Kinder") feiert Bankowski als "einen der angesehensten und erfahrensten Ärzte, die LGBTQ-Eltern dabei helfen, ihre Familien mittels Eizellspenden und Leihmutterschaft in den USA aufzubauen".
Im März vergangenen Jahres war ORM erneut auf den "Kinderwunsch-Tagen" in Berlin vertreten. Dass Leihmutterschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz genauso verboten ist, wie in den meisten anderen Ländern der Welt, stört die Firma offenbar nicht. "Man muss Gesetz und Ethik trennen", zeigt sich Bankowski überzeugt. Und: "Wir geben unser Bestes, um Menschen zu helfen, wenn die Methoden in ihrem Heimatland nicht erlaubt sind." Ein rentables Geschäft. 2016 und 2017 eröffnete ORM Büros in Tel Aviv und Shanghai. 2019 gar eine neue Klinik in Bellevue, einer rund 150.000 Einwohner zählenden Stadt des an Oregon grenzenden Bundesstaates Washington.
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