Die eigentliche Tragödie ist die deutsche Gesellschaft selbst“, sagt Necla Kelek. Für diesen Satz bekommt die Publizistin, Frauenrechtlerin und Kritikerin des Islam den meisten Applaus an diesem Abend. Die CSU-Landtagsfraktion hat zu einem Gesprächsabend in das Maximilianeum in München eingeladen. Es geht um „Grenzen der Glaubensfreiheit“ und zwar mit Blick auf den sogenannten politischen Islam. „Man muss ihn daran messen, welche Rechte er der Frau zuerkennt. Der große Konkurrent des politischen Islams ist die Freiheit in den westlichen Ländern.“ Wieder brandet großer Applaus auf.
Kelek führt nun näher aus, was sie unter der Tragödie der deutschen Gesellschaft versteht. Die Gefahr, die seitens des politischen Islams für die Freiheit drohe, sei überhaupt noch nicht begriffen worden. So eine Veranstaltung, wie hier von der CSU durchgeführt, sei die Ausnahme. Die Parteien interessierten sich kaum für dieses Problem. Und wenn, dann herrsche oft eine naive Sicht vor, die die Gefahren nicht erkennen wolle.
Politischen Islam aus der Schule fernhalten
Kelek, die in den 60er Jahren in der damals klar kemalistisch geprägten Türkei aufgewachsen ist – „Damals trugen die Frauen ganz selbstverständlich Bikini“ – sitzt auf dem Podium mit zwei weiteren Frauen, die ebenfalls über einen Migrationshintergrund verfügen und eben genau wegen dieser Erfahrung kritisch darauf schauen, wie die deutsche Öffentlichkeit auf die Gefahren seitens des politischen Islams reagiert. Die Journalistin Düzen Tekkal, die aus einer jesidisch-kurdischen Familie stammt, ging vor allem mit dem aus ihrer Sicht viel zu stark verbreiteten Selbstmitleid unter Migranten ins Gericht. Das freilich von Politikern, die sich im falschen Sinne als „Kümmerer“ verstehen, eher noch verstärkt würde. Ein Integrationsminister etwa habe nicht nur die Bedürfnisse der Migranten durchzusetzen, sondern vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass auch die Sorgen und Wünsche der Mehrheitsgesellschaft berücksichtigt würden. Sonst sei Integration nämlich nicht möglich.
Die Rechtsanwältin Nazan Simsek betrachtete das Problem vor allem aus einer juristischen Perspektive. Der Rechtsstaat gelte für alle, auch für diejenigen, die ihn nicht wollen. „Und denen müssen wir es möglichst ungemütlich machen.“ Auch sie, die als Familienanwältin viele muslimische Frauen vertritt, die sich etwa scheiden lassen wollen, betont, dass die Frauenrechte in der Tat als ein Gradmesser dafür zu werten seien, wie das Verhältnis zwischen einem konservativen Islam und der freiheitlichen westlichen Gesellschaft zu werten sei.
"Kopftuch oder Sonderregelungen für Schüler, die im Ramadan fasten,
das alles hat in der Schule nichts zu suchen."
Publizistin Necla Kelek über den Islam an Schulen
Alle drei waren sich auch einig darin, dass die im Verhältnis zu Christentum oder Judentum entwickelten Formen der Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaft so nicht auf den Islam zu übertragen seien. Das zeige sich vor allem in der Frage des islamischen Religionsunterrichtes. Es müsse unter allen Umständen verhindert werden, dass der politische Islam in die Schulen getragen werde, betont Kelek. „Kopftuch oder Sonderregelungen für Schüler, die im Ramadan fasten, das alles hat in der Schule nichts zu suchen“, hob sie hervor. Vor allem müsse verhindert werden, dass die konservativ geprägten Islam-Verbände Einfluss auf die Schule nähmen.
Gewiss, diese würden sich immer wieder auf die Religionsfreiheit berufen. Doch dies sei Taktik. Auch dürfe man nicht glauben, dass die Tatsache, dass ein konfessioneller Islam-Unterricht angeboten werde, dazu führe, dass die Jugendlichen darauf verzichten würden, parallel noch eine Koranschule zu besuchen, auf deren Lehrpläne der deutsche Staat ja überhaupt keinen Einfluss hätte. Kelek, aber auch Düzen Tekkal betonten vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen genau das Gegenteil.
Man müsse vielmehr damit rechnen, dass die aus der Sicht der Elternhäuser problematischen Fragen, die im staatlichen Unterricht besprochen werden, kritisiert und verworfen würden. Studien zeigten, dass bis zu 60 Prozent der Schüler, die einen staatlichen Islam-Unterricht besuchten, parallel auch noch zur Koranschule gingen.
Einfluss der Verbände verhindern
Der Journalist Joachim Wagner hat an diesem Abend die Aufgabe, die verschiedenen Modelle des islamischen Religionsunterrichtes vorzustellen, die im Moment in den einzelnen Bundesländern praktiziert werden. Da gibt es einmal das Modell, das an den konfessionsgebundenen christlichen Religionsunterricht angelehnt ist. Hier haben die Islam-Verbände ein Mitspracherecht auf die Lehrpläne über Beiräte. Es wird etwa in NRW, Niedersachsen oder Hessen praktiziert. Da gibt es ein bayrisches Modell: Hier wird eine sogenannte Islamkunde erteilt. Die Schüler bekommen eine eher historisch geprägte Sicht auf die Religion, ihre Entwicklung und ihre Struktur. Es geht nicht um die Vermittlung der religiösen Inhalten. In Hamburg schließlich gibt es das Modell der Religionskunde. Also überhaupt keinen spezifischen Religionsunterricht mehr, sondern nur noch eine allgemeine Religionskunde, die alle Religionen gleichermaßen in den Blick nimmt.
Kritisch wurde vom Podium vor allem das Modell gesehen, dass den Verbänden ein Mitspracherecht gewährt. Dies müsse vermieden werden. Necla Kelek, aber auch Düzen Tekkal ließen Sympathien für eine allgemeine Religionskunde zu erkennen.
Joachim Wagner gab zu bedenken, inwieweit die aktuelle Situation mit den unterschiedlichen Modellen zu halten sei. So sei der bayerische Ansatz sicherlich gut, eine andere Frage, ob er sich auch juristisch flächendeckend halten lasse. Schließlich stelle sich überhaupt die Frage, inwieweit es rechtlich überhaupt möglich wäre, den bewährten christlichen Religionsunterricht weiterlaufen zu lassen und für die muslimischen Schüler ein ganz anders strukturiertes Modell zu finden.
Winfried Bausback (CSU), langjähriger ehemaliger bayerischer Justizminister, der die Runde moderierte, zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass das bayerische Modell stabil sei und solche Angriffe nicht zu fürchten brauche. Necla Kelek zog schließlich die Bilanz: „Wir sind uns hier alle ziemlich einig. Nur draußen gibt es noch keine politische Mehrheiten.“ Hier sei daher noch mehr Aufklärungsarbeit für die deutsche Öffentlichkeit notwendig. Solche Diskussionen seien ein erster Schritt.