Er ist Militärbischof, Sozialbischof und seit einigen Monaten auch noch stellvertretender Vorsitzender der Kommission der Europäischen Bischofskonferenzen bei der EU: Franz-Josef Overbeck bringt aus allen diesen Bereichen Aspekte ein, als er am vergangenen Freitagmorgen eine Rede über Anfechtungen der Demokratie in der Gegenwart hält und in welcher Weise sich daraus Herausforderungen für Christen ergeben.
Das Thema, das sich hier der Bischof von Essen gestellt hat, klingt auf den ersten Blick sehr abstrakt. Doch es ist ein besonderer Freitagmorgen: Der Konflikt zwischen CDU und CSU in Berlin läuft gerade auf seinen Höhepunkt zu. Zeitweise scheint es sogar möglich, dass die beiden Unionsschwestern ihre Fraktionsgemeinschaft im Bundestag auflösen. Dieser Hintergrund ist allen Zuhörern präsent: Overbeck trägt seine Argumente bei den Sozialethischen Gesprächen vor, die die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle alljährlich mit der COMECE, der Kommission der Europäischen Bischofskonferenzen bei der EU, in Mönchengladbach durchführt.
Entfremdung zwischen CSU und Kirche
Das Publikum besteht aus Wissenschaftlern, Politikern, vielen Geistlichen, darunter Funktionsträger der deutschen Bistümer, und Mitgliedern der katholischen Verbände – kurz: es repräsentiert das Milieu, das lange Zeit die Kernwählerschaft der Christdemokraten gestellt hat. Ist das immer noch so? Entfremdungsprozesse vor allem gegenüber der CSU hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder gezeigt, in Fragen der Flüchtlingspolitik, vor allem aber im Zusammenhang mit dem sogenannten Kreuz-Erlass in Bayern. Insofern hören alle gespannt hin, welche Akzente Overbeck hier setzt. Der Bischof folgt einem Argumentationsmuster, das in den letzten Wochen viele Vertreter der Kirche benutzt haben: Die Ängste der Menschen ernst nehmen, vor allem im Hinblick auf die Flüchtlingskrise. „Ich beurteile eine Person nie, ohne zuzuhören.“ Allerdings müsse sichergestellt sein, dass ein solcher Dialog unter Bedingungen laufe, auf die Christen nicht verzichten könnten: „Gegenseitiger Respekt und die Bereitschaft, sich offen die Meinung zu sagen“, so Overbeck.
„Wir reden hier über Populisten, ohne mit einem einzigen Populisten zu sprechen.“ Gut eine Stunde nach dem Overbeck-Vortrag steht ein Teilnehmer auf und fordert den Praxistest. Gerade hat Elmar Brok gesprochen, einer der längst gedienten CDU-Europa-Parlamentarier überhaupt, man könnte auch sagen: für EU-Kritiker die Personifikation europapolitischen Establishments schlechthin. Brok, ein Mann, der die leidenschaftliche Rhetorik liebt, hat ein engagiertes Plädoyer für eine europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik vorgelegt, die Kanzlerin gelobt und Seehofer und Co. als unverantwortliche Hasardeure gescholten. Danach folgte eine Diskussion mit Experten aus Osteuropa über die dort freilich auch noch einmal ganz anders gelagerte Situation. Doch alle diese Beiträge haben den Teilnehmer offenbar nicht überzeugt. Er bleibt bei seiner Kritik: Nur über Populisten zu reden, reicht ihm nicht. Er will auch mit ihnen sprechen.
Belebender Zwischenruf
Wie wirkt sich der Zwischenruf auf die weitere Diskussion aus? Obwohl der Kritiker seinen Beitrag durchaus kraftvoll und mit alarmistischem Unterton vorgebracht hat, setzt nun, eben anders als bei vielen vergleichbaren Formaten, keine Panik bei den Veranstaltern ein. Nein, der Zwischenruf wirkt belebend. Die Teilnehmer auf dem Podium reagieren erstaunlich ruhig, argumentieren differenziert. Beispiel Melani Barlai. Die ungarische Politikwissenschaftlerin, die politische Kommunikation an der Andrássy Universität in Budapest lehrt, hatte zuvor deutlich Viktor Orbán kritisiert. Nicht zuletzt auch dessen Hetze gegen George Soros. Mit großen Plakaten hatte Orbán während des Wahlkampfes vor dem Einfluss des Finanz-Investors gewarnt, der viele Initiativen, vor allem im linksliberalen Bereich, unterstützt. Diese Kampagne, so Kritiker Orbáns, habe ganz klar auch antisemitische Untertöne gehabt. Soros, der in Ungarn geboren ist und nun in den USA lebt, ist ein Überlebender des Holocausts. Nun stellte Barlai, angeregt durch den Zwischenruf fest, natürlich sei es weiterhin richtig, diese antisemitischen Untertöne klar zu kritisieren.
Allerdings müsse man gleichzeitig durchaus in der Lage sein erkennen zu können, dass es legitim sein könne, an dem Engagement Soros und der Art, wie er politisch Einfluss nehmen will, Kritik zu üben. Es komme nur eben darauf an, wie man das tue. Und eben genau in dieser Art unterschieden sich Populisten von Demokraten.
Angst darf nicht die Diskussion bestimmen
Tomás Halik, katholischer Priester, bedeutender Theologe und Mitstreiter Vaclav Havels, führte am tschechischen Beispiel aus, wie sehr Populisten die Angst zum Motor ihrer Agitation machen würden. Der Rückschluss daraus, so schien es am Ende der Tagung, muss für den Umgang mit dem Populismus selbst bedeuten, sich auch nicht von Angst treiben zu lassen. Bischof Overbeck, der bis zum Schluss unter den Zuhörern war, müsste dieses Ergebnis gefallen haben.