Durch eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) will die FDP-Fraktion die in Deutschland bislang verbotene Eizellspende legalisieren. Der dazu von der FDP vorgelegte Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 19/17633) stand gestern Nachmittag (nach Redaktionsschluss) im Mittelpunkt einer Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags. Die Sitzung, die im Sitzungssaal E 300 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin stattfand, wird heute ab 13 Uhr 30 zeitversetzt auf www.bundestag.de im Internet übertragen.
Wie die FDP-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf schreibt, seien in Deutschland rund „25 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren ungewollt kinderlos“. Etwa ein bis zwei Prozent aller Frauen unter 40 Jahren hätten „keine oder nicht genügend Eizellen, um schwanger werden zu können“. Das in Deutschland geltende Verbot der Eizellspende führe „in der Realität dazu, dass Paare Eizellspenden in Ländern, in denen die Gesetzgebung dies gestattet“, in Anspruch nähmen – „teilweise zu horrenden Preisen und unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken aufgrund niedriger medizinischer Standards“.
Zwei gegensätzliche Stellungnahmen
Zu dem Gesetzentwurf liegen dem Gesundheitsausschuss auch zwei Stellungnahmen vor. Diese könnten gegensätzlicher kaum sein. Verfasst wurden sie von der Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Göttingen, Claudia Wiesemann, und der Soziologin und Politikwissenschaftlerin Susanne Schultz vom Institut für Soziologie der Goethe Universität, Frankfurt am Main.
Während Wiesemann, die bis April 2020 noch dem Deutschen Ethikrat angehörte, in ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis kommt, es sei „ethisch vertretbar und sogar gefordert“, das „Verbot der Eizellspende in Deutschland – unter geeigneten Auflagen zur Sicherung der Rechte von Eizellspenderin, Wunscheltern und Kind – aufzuheben“, warnt Schultz vor einer „medizin-ethischen“ und „europarechtlichen Grenzüberschreitung“. So widerspreche die Legalisierung der Eizellspende dem „medizin-ethischen Grundprinzip: primum non nocere, also erstens nicht schaden“. Für eine Eizellspende brauche es „eine Hormonbehandlung über fast zwei Wochen, eine Anästhesie und einen operativen Eingriff“. Der Gesetzentwurf der Liberalen befürworte also „einen medizinisch invasiven, gesundheitsbelastenden und weiterhin risikobehafteten Eingriff an einer Person, die selbst keinerlei gesundheitlichen Nutzen aus diesem Eingriff zieht“. Ein derartiger Eingriff sei auch nicht mit einer Samenspende vergleichbar – „ein Vergleich, den die Gesetzesbegründung gleich mehrmals fälschlicherweise heranzieht“, so Schultz.
Auch wenn es richtig sei, „dass heutige Stimulationsprotokolle zunehmend schonendere Hormonbehandlungen vorsehen“, bleibe es doch dabei, „dass die Behandlung körperlich belastend“ sei und das „Risiko einer Hyperstimulation“ nur „verringert, aber nicht ausgeschlossen“ werde.
Zudem fehle es – anders als bei „den besser beforschten IVF-Patientinnen, das heißt zu Frauen, die sich einer Hormonstimulation und Eizellentnahme für ihre eigene In-Vitro-Fertilisations-Behandlung unterziehen“ – an ausreichender Forschung zu den Risiken und Langzeitfolgen für „Eizellspenderinnen“.
Beide Personengruppen unterschieden sich zudem signifikant. So seien die Einzellspenderinnen „jünger“ und reagieren „stärker“ auf Hormonstimulationen. Des Weiteren hänge der Erfolg einer Eizellspende davon ab, dass „genug gute Eizellen“ gewonnen würden. Schultz: „Im Rahmen einer privatwirtschaftlichen, auf gute Erfolgsraten angewiesenen Reproduktionsmedizin sind der Milde einer Hormonbehandlung somit Grenzen gesetzt.“
Ökonomisierung des Körperinneren
In ihrer Stellungnahme kritisiert Schultz auch den Begriff „Eizellspende“. Dieser lasse übersehen, „dass es hier nicht um einen individuellen Akt der selbstlosen Gabe zwischen zwei Personen geht“. Stattdessen handele es sich „um einen Vorgang, der in einen global expandierenden reproduktionsmedizinischen Markt eingebettet ist – mit vielfältigen damit einhergehenden, auch ökonomischen Interessenslagen“. Zudem unterschlage der Begriff, „dass der Zugriff auf Eizellen in einem für diese Märkte ausreichenden Umfang nicht ohne finanzielle Transfers möglich ist und dass er damit de facto auf Dimensionen sozialer Ungleichheit beruht und mit Prozessen der Ökonomisierung des Körperinneren einhergeht“. In Spanien erhielten „rekrutierte ,Spenderinnen‘ mindestens 900 Euro“, in Großbritannien „750 Pfund“ für die „Spende“ von Eizellen.
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