Wer nach sieben Jahren von sich sagen kann – und es widerspricht dabei niemand –, er habe in einem hohen Amt „alles richtig“ gemacht, gehört gerade heute zu den Glückskindern seiner Zeit. Kein Kichern am falschen Ort sehen einem die allgegenwärtigen Medien nach, kein Dossier ist dem investigativen Journalismus zu teuer. Doch wenn Sergio Mattarella nun seine Amtszeit als Präsident der Republik Italien beendet, tritt der rüstige Achtzigjährige aufrecht ab, mit der ihm eigenen zurückhaltenden Steifheit und jenem leicht traurigen Blick, der auch dem Umstand geschuldet sein mag, dass die Mafia seinen älteren Bruder Piersanti, damals Präsident der Region Sizilien, 1980 niedergestreckt hat und er 2012 seine Frau Marisa verlor. Als Präsident hatte er deshalb oft die Tochter Laura als First Lady an der Seite.
Staatstragende Person - zusammen mit dem Papst
Zwei Personen sind in Italien staatstragend: Das ist der Papst – und das ist der Präsident. Und wenn sie auch noch freundschaftlich verbunden sind, umso besser. Bei Giorgio Napolitano und Benedikt XVI. waren das Sympathie und menschliche Nähe über eine ideologische Brücke hinweg (Napolitano war Kommunist), Mattarella und Franziskus dagegen verband der gelebte Glaube.
Als Katholik schloss sich der studierte Verfassungsrechtler nach der Ermordung seines Bruders der „Democrazia cristiana“ (DC) an und ging später nach deren Untergang den Weg vieler Christdemokraten über das Bündnis „L'Ulivo“ unter Romano Prodi und später die „Margherita“ in die Mitte-Links-Partei „Partito democratico“, in der viele bekennende Katholiken eine neue politische Heimat fanden, die sich nicht der eher rechts orientierten „Forza Italia“ von Silvio Berlusconi anschließen wollten.
Er zauberte das rettende Kaninchen aus dem Hut
Mattarella wurde in dieser Zeit und den entsprechenden Regierungen nach dem Untergang der DC nicht nur Minister für Verteidigung und stellvertretender Ministerpräsident, sondern er gab auch als Vorsitzender des zuständigen parlamentarischen Ausschusses dem neuen Wahlrechtsgesetz von 1993/1994 seinen Namen: „Mattarellum“ nennen es Politiker und Juristen, es löste das Verhältniswahlrecht durch das Mehrheitswahlrecht ab und sollte den Übergang von der sogenannten Ersten zur Zweiten Republik Italiens kennzeichnen.
Als Staatspräsident hatte Mattarella den Aufstieg der Fünf-Sterne-Bewegung bis in die Regierungsverantwortung hinein zu begleiten und dann nach dem Showdown der Regierung Conte auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Krise das rettende Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, das dann auch in der Person von Mario Draghi die Zügel in die Hand nahm.
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