Der Feminismus ist tot, er hat sich selbst getötet. Die letzten, standhaften Feministen der alten Garde, die versuchen, die Frau aus der Kostümkiste der Geschlechter zu ziehen, werden als TERFs, als Trans-Exclusionary Radical Feminists, in den Gräben der sozialen Medien müde geschossen. Und wer auf der Höhe der Zeit ist, maßt sich nicht an, überhaupt zu bestimmen, wer oder was eine Frau ist.
Wir sind das Produkt eines Geschlechterkampfes
Die historische Tyrannei des Mannes über die Frau ist eines der prägendsten Narrative heutiger schulischer und universitärer Bildung: Wir sind Produkt dieses Geschlechterkampfes und unsere Aufgabe ist es, diese historischen Ungerechtigkeiten auszugleichen. Diese neomarxistische Variante des Klassenkampfes rechtfertigt nicht nur die Bevorzugung von Individuen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihres Geschlechts, sondern hatte ihr Endziel lange Zeit darin, die westliche Gesellschaft im Kern zu dekonstruieren, da sie in sich patriarchal und misogyn ist.
Der Kampf der sich selbst als Feminist* innen bezeichnenden Ideologen war kein Freiheitskampf, sondern ein Kampf um die Beteiligung der Frau an allem, was männlich und damit mächtig erschien. Und sie siegten. Scheinbar. Denn mit der Annahme der Theorie der patriarchalen Gesellschaft wurde vom Feminismus auch akzeptiert, dass alles, was biologisch, historisch oder gesellschaftlich als „weiblich“ gilt, weniger wert sei – insbesondere die Fähigkeit zur Mutterschaft.
Doppelter Selbsthass gegenüber der eigenen Weiblichkeit
Dies führte schließlich zu den beiden Extremen der übersexualisierten, ihre Weiblichkeit exhibitionierenden Frau der Pornoindustrie auf der einen Seite und der ihre Weiblichkeit negierenden, ja hassenden Feministin auf der anderen Seite. Dieser doppelte Selbsthass gegenüber der eigenen Weiblichkeit, die biologisch untrennbar mit der Fähigkeit zur Mutterschaft verbunden ist, führte schließlich zu der Sehnsucht nach der Geschlechtslosigkeit, der absoluten Freiheit von allen biologischen Ausgangsbedingungen.
Diese Lösung bietet gleichzeitig den Ausgang des modernen Mannes aus der verhassten, toxischen Männlichkeit. Sei wer du willst. Lass dich nicht begrenzen von dem, was du bist. Dein Körper ist nur ein Werkzeug, das angepasst werden kann. Weiblichkeit und Männlichkeit sind Kostüme deiner Wahl. Wir sind fast da – in der geschlechtslosen Gesellschaft, dem neomarxistischen Traum. Zumindest haben wir alles dafür in der Hand.
Es gibt keinen Feminismus, wenn Geschlecht eine Wahl ist
Doch so, wie die klassenlose Gesellschaft nur entstehen kann, wenn allen, alles Eigene weggenommen wird, so ist es auch in der geschlechtslosen Gesellschaft. Es gibt keinen Feminismus, wenn Geschlecht eine Wahl ist. Denn alles ist möglich. Und die sogenannten Konservativen, diejenigen, die diese Phänomene als verrückte Zirkusspiele mit einem Kopfschütteln abgetan haben, sehen plötzlich mit ungläubigen Schrecken, wie Dragqueens in Grundschulen familienfreundliche Stripshows abhalten und in den Kindergärten ihre Kinder und Enkel zur Wahl ihrer Pronomen aufgefordert werden.
In diese Dekonstruktion des geschlechtlichen Individuums hinein wirkt der Aufstand der Frauen im Iran wie das Schauspiel eines anachronistischen Freiheitskampfes. Junge Frauen riskieren ihr Leben, um ihre Weiblichkeit zeigen und leben zu dürfen. Ihr Kampf gegen die Kopftuchpflicht erscheint wie das Gegenteil der leblosen Hülle des westlichen Feminismus. Wie ein Kampf um die Freiheit, das sein zu dürfen, was man ist.
Es ist Zeit, dass aus den Trümmern des westlichen Feminismus die Frau aufsteht. Nicht als schlechtere Kopie des Mannes, nicht als sich abgrenzende „Minderheit“, sondern als verantwortungsvolle Individuen, die wissen, dass sie die Macht haben über nichts weniger als die Zukunft der Menschheit.
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