Einen Tag, nachdem Deutschland bekannt gegeben hatte, 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 aus Bundeswehr-Beständen an die Ukraine zu übergeben, war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Gast in der ZDF-Politikerinterviewsendung „Was nun,...?“ Dort verteidigte er nicht nur sein vielfach kritisiertes Vorgehen, die US-amerikanische Regierung dazu zu bewegen, ebenfalls wie Deutschland Panzer in die Ukraine zu entsenden, sondern wiederholte beinahe mantraartig, dass es sein ausdrückliches Ziel sei, eine Ausweitung des Ukraine-Krieges auf die NATO zu verhindern. Im selben Atemzug erteilte Scholz der Forderung nach einer Auslieferung von Kampfjets sowie der Entsendung von Truppen eine klare und eindeutige Absage.
Auch Politiker brechen ihre Versprechen
Diese Absage erinnerte in ihrer Vehemenz an das berühmt-berüchtigte „Read my lips: no new taxes“ aus dem Jahr 1988, welches Ronald Reagans damaliger Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat George H. W. Bush den begeisterten Delegierten auf dem Nominierungsparteitag der US-Republikaner entgegenrief und damit kategorisch ausschloss, im Falle seiner Wahl zum US-Präsidenten Steuererhöhungen durchzusetzen. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Bush wurde in der Tat US-Präsident – aber aufgrund der hohen Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten einigten er und der von den US-Demokraten dominierte Kongress sich letztendlich doch auf Steuererhöhungen. Seitdem gilt der „Read my lips“-Ausspruch in den Vereinigten Staaten als Paradebeispiel eines gebrochenen Politikerversprechens – und Bush Senior wurde trotz der Beendigung des Kalten Krieges und des gewonnen Irak-Kriegs bereits nach einer Wahlperiode 1993 von Bill Clinton abgelöst.
Inwiefern auch Olaf Scholz sein klares Nein zu einer Lieferung von Kampfjets an die Ukraine einmal auf die Füße fallen könnte, bleibt abzuwarten. Doch die Diskussion über das Für und Wider einer solchen Lieferung ist bereits international entfacht – und nicht wenige Menschen fragen sich zudem: Ab wann werden einzelne Staaten oder die NATO als Ganzes aufgrund der Lieferung einer bestimmten Waffengattung doch zur Kriegspartei?
Eine Flugverbotszone ist völkerrechtlich keine Option
Grundsätzlich gilt im Völkerrecht ein allgemeines Gewaltverbot. Ähnlich der kirchlichen Lehre vom „gerechten Krieg“ gesteht die Charta der Vereinten Nationen jedoch jedem Land ein Selbstverteidigungsrecht gegen einen bewaffneten Angriff zu – und andere Länder dürfen einen angegriffenen Staat bei der Selbstverteidigung unterstützen. Aus rechtlicher Sicht ist damit auch militärische Hilfe für die Ukraine zulässig, wie beispielsweise die Lieferung von Offensiv- und Defensivwaffen. Denn, so der völkerrechtliche Konsens: Die bloße Unterstützung durch Waffenlieferungen überschreitet die Grenze zur Konfliktteilnahme explizit nicht.
Zur Kriegspartei wird ein Staat erst dann, wenn er selbst an dem Konflikt teilnimmt: Das ist insbesondere der Fall, wenn eigene Streitkräfte unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligt sind – eine Option, die keiner der NATO-Staaten ernsthaft in Erwägung zieht. Auch die militärische Überwachung und Durchsetzung einer Flugverbotszone würde darunterfallen – weswegen eine von der NATO überwachte Flugverbotszone zur Überwachung des Luftraums der Ukraine in völkerrechtlicher Hinsicht keine Option ist, die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine jedoch völkerrechtlich gestattet wäre.
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