B- und C-Waffen, biologische und chemische Kampfstoffe, gelten seit langer Zeit als die Atombomben der nuklearen Habenichtse. Das Coronavirus hat das Potenzial einer solchen strategischen Bombe, die, einmal gezündet, wie in Zeitlupe explodiert. Zu beobachten ist das derzeit im Fall Iran.
Zahlen der Mullahs sind "Fake News"
Die Zahlen, die das Regime der Mullahs veröffentlichen lässt, kann man getrost als Fake News bezeichnen. Wer das Glück hat, Gesprächspartner telefonisch zu erreichen und auf diese Weise etwas vom Alltag in Teheran oder Isfahan zu erfahren, kann erahnen, wie es derzeit in der Mullarchie wirklich aussieht. Allgemein bekannt ist, dass das Virus zuerst in der sogenannten heiligen Stadt Ghom ausbrach, vermutlich in einer der großen Moscheen und eingeschleppt von China-Reisenden. Hinzu kam ein gewisser religiös bedingter Verzögerungseffekt.
Gläubige Schiiten haben eine gewisse Märtyrer-Mentalität, die durch die Geschichte verstärkt wurde und ihren Anfang im wechselvollen Schicksal von Ali, Mohammeds Schwiegersohn und Vetter, hatte. Fast neunzig Prozent seiner Anhänger, der Schiiten eben, leben im Iran. Diese Märtyrer-Mentalität verstärkt noch das Kismet-Denken (von arabisch Quismat – das dem Menschen von Allah zugeteilte Los), so dass Krankheiten zunächst als Wille Allahs angesehen werden und ihre Heilung ebenso. In einer von religiösen Gefühlen durchwehten Stadt wie Ghom sind solche Geisteshaltung bei ausbrechenden Epidemien fatal. Wertvolle Zeit ging verloren, in der die Epidemie sich rasend schnell verbreitete, bevor überhaupt erste Maßnahmen angedacht wurden.
Regime büßt Schlagkraft ein
Gleichzeitig verbreitet sich auch das von Regierungsseite unterstützte weil vom eigenen Versagen ablenkende Gerücht, das Virus sei von Amerika infiltriert worden, natürlich auch von Israel. Inzwischen dürfte die Zahl der Infizierten bei einigen hunderttausend, die Zahl der Toten bei mehreren zehntausend Menschen liegen. Davon gehen jedenfalls israelische Experten aus, verlässliche Zahlen sind angesichts der mangelnden statistischen Erhebungen und der Medienkontrolle durch das totalitäre Regime nicht zu bekommen. Über Ärzte und Krankenschwestern ist zu erfahren, dass allein in den Krankenhäusern der Millionenmetropole Ghom pro Tag hunderte dem Virus erliegen. Das Gesundheitssystem ist Corona nicht gewachsen. Es bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an.
Das hat strategische Bedeutung. Das Regime verliert allmählich seine politische Entscheidungsfähigkeit und militärische Durchschlagskraft. Der wichtigste Berater des Revolutionsführers Khamenei, der frühere Außenminister Velayati, ist infiziert und arbeitsunfähig. Desgleichen auch Analytiker aus seinem Stab. Auch in der Regierung sollen mehrere Minister und Staatssekretäre erkrankt sein. Es herrscht Ratlosigkeit. Auch in der Armee grassiert das Virus. Tausende Soldaten sollen infiziert sein. Statt sie und die erkrankten Revolutionswächter nach Hause in die Quarantäne zu schicken, werden sie in den Kasernen behalten, damit sie die Bevölkerung nicht informieren und verunsichern. In den Kasernen aber verbreitet sich der Virus weiter. Generäle und Offiziere sind betroffen. Dasselbe geschieht in den Uran-Anreicherungsanlagen von Fodo und Natanz. Sie sind völlig isoliert worden und es steht zu vermuten, daß das Regime bereits eine Reihe seiner Nuklearspezialisten und Fachleute verloren hat. Was das für die Atomanlagen bedeutet ist noch nicht zu ermessen. Auf jeden Fall wirkt Corona wuchtiger und nachhaltiger als die US-Sanktionen.
Gespräche mit der Hisbollah laufen weiter
Trotz dieser internen Lage gehen die Aktivitäten der Revolutionswächter im Ausland weiter. Am Internationalen Flughafen von Beirut landen nach wie vor Maschinen mit iranischen Offizieren, die ohne jede Kontrolle noch Tests empfangen werden – Umarmungen inklusive. Libanesische Zeitungen berichten davon durchaus mit kritischen Untertönen. Die Gespräche zwischen Teheran und der Hisbollah laufen, als wäre nichts und als gäbe es keine Pandemie. Viele der Gesprächspartner der Hisbollah, unter ihnen auch hochrangige Kommandeure, sollen bereits infiziert sein. Ähnliches gilt für die schiitischen Milizen im Irak und im Jemen und auch für die Terror-Organisation Hamas, weshalb die ägyptischen Unterhändler, die sich regelmäßig mit Hamas-Führern treffen, auch zu Vorsichtsmaßnahmen greifen und im wahrsten Sinn des Wortes auf Distanz gehen.
Es lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt – Anfang April 2020 – noch nicht sagen, wie weit die Operationsfähigkeit der iranischen Armee und vor allem der Revolutionswächter in Syrien betroffen ist. Insgesamt ist jedoch von einer Schwächung auszugehen, die das Regime in Teheran ins Mark zu treffen droht. Die verzweifelte Lage der Bevölkerung könnte zu Aufständen führen, die anders als die kleineren, lokalen Rebellionen, nicht mehr zu verbergen sein werden. In dieser Situation ist es nur eine Frage der Zeit, bis China auch dem Regime in Iran massiv mit Material wie Schutzmasken und -kleidung unter die Arme greifen und vielleicht auch mit Atemgeräten politischen Sauerstoff zuführen wird. Amerika ist mit sich selbst beschäftigt, Europa auch und Russland beobachtet die Lage mit Skepsis. Die israelische Armee ist entschlossen, mehr noch als je zuvor präventiv zu handeln und Terroristen weit vor der eigenen Grenze anzugreifen sowie Waffenlieferungen zu vernichten. Hier herrscht in Jerusalem trotz aller politischer Selbstlähmung Konsens. Denn die Einschätzung der Corona-Krise auf die Lage in Nahost ist unstrittig: Sie wird die Kräfteverhältnisse verändern.
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