Berlin

Bundestag beschließt Rabbiner in der Bundeswehr

Eine historische Entscheidung: Es gibt bald Militärrabbiner zur Seelsorge für jüdische Soldaten. Parallel dazu läuft eine Debatte über Militär-Imame. Doch dort sind die Voraussetzungen anders.
Konfessionen in der Bundeswehr
Foto: Stefan Sauer (dpa-Zentralbild) | Rund 300 Soldaten der Bundeswehr sind nach Schätzungen Juden.

Erstmals nach rund 100 Jahren Unterbrechung und 75 Jahre nach dem Holocaust können künftig jüdische Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr durch Rabbiner betreut werden. Der Deutsche Bundestag billigte am vergangenen Donnerstagabend einstimmig einen entsprechenden Staatsvertrag, den Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bereits im vergangenen Dezember unterzeichnet hatten. Der Vertrag sieht zunächst zehn Militärrabbiner vor.

Christlichen Kirchen stellen schon seit Jahrzehnten Militärseelsorger

Grundlagen für die Militärseelsorge in der Bundeswehr sind der Artikel 4 des Grundgesetztes und davon noch einmal abgeleitet § 36 des Soldatengesetzes. In ihnen wird das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. So heißt es im Soldatengesetz: „Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.“ Die großen christlichen Kirchen stellen schon seit Jahrzehnten Militärseelsorger. Dies ist in einem Staatsvertrag mit den Kirchen geregelt.
Fast 100 000 jüdische Deutsche dienten während des Ersten Weltkrieges in den deutschen Streitkräften, annähernd 77.000 kämpften an vorderster Front, 30.000 wurden mit zum Teil höchsten Auszeichnungen dekoriert und mehr als 20.000 befördert. Zwölftausend deutsche jüdische Soldaten verloren im Krieg ihr Leben, jeder Sechste also, geht aus einer Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom 20. März 2019 hervor. Viele von ihnen, die den Ersten Weltkrieg überlebt hatten, wurden später im Nationalsozialismus ermordet. Die Nachfahren von Holocaust-Opfern waren in der Bundesrepublik deshalb von der Wehrpflicht, die es bis 2011 gab, befreit.

Aktuell gibt es rund 300 Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens in der Bundeswehr, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage der „Tagespost“ mit. Das Katholische Militärbischofsamt (KMA) in Berlin bestätigte gegenüber dieser Zeitung die Zahl. Es handelt sich allerdings um Schätzungen, denn die Soldatinnen und Soldaten sind  nicht zur Angabe ihrer Konfession verpflichtet.

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53.000 Protestanten und 41.000 Katholiken in der Bundeswehr

Bei Einführung der Militärseelsorge Ende der 50er Jahre gehörten nach Angaben des Verteidigungsministeriums rund 98 Prozent der Soldaten einer christlichen Kirche an. Heute sei es nur noch etwa die Hälfte - in der Bundeswehr gebe es derzeit schätzungsweise 53.000 Protestanten und 41.000 Katholiken.
Auch die muslimische Seelsorge in der Bundeswehr soll verbessert werden. Doch der Einrichtung einer muslimischen Militärseelsorge stehen noch einige Hürden entgegen. Denn es gibt in Deutschland keine zentrale Institution entsprechend den beiden großen christlichen Kirchen und dem Zentralrat der Juden, deshalb ist aus rechtlichen Gründen kein Staatsvertrag möglich. Strukturen wie die Deutsche Bischofskonferenz oder die Evangelische Kirche in Deutschland fehlen auf muslimischer Seite. Dem Verteidigungsministerium zufolge gibt es etwa 3.000 muslimische Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. „Diese haben ein Rechtsanspruch auf eine seelsorgerische Betreuung, welcher bis heute nicht erfüllt ist,“ forderte ein Sprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland gegenüber der „Tagespost“. Hier sei die Politik gefragt, ihrem Gestaltungsauftrag nachzukommen und Lösungsansätze zu liefern, „wie das baldigst gemacht werden kann“. Der Zentralrat habe hierzu Vorschläge gemacht und sei für diese Gespräche bereit, und dies seit 2010. Unter anderem habe man diesbezüglich Vereinbarungen in der letzten deutschen Islamkonferenz 2016 getroffen.

Das Bundesverteidigungsministerium hat sich nach Angaben von Thomas R. Elßner, Referatsleiter im Katholischen Militärbischofsamt, seit Herbst 2012 nahezu kontinuierlich mit der Frage nach einer muslimischen Militärseelsorge innerhalb der Bundeswehr beschäftigt.

Die Problematik skizziert Elßner in einem 2018 veröffentlichten Beitrag von CIBEDO (Christlich-Islamische Begegnungs - und Dokumentationsstelle in Frankfurt): „Dass es zurzeit immer noch keine muslimische Militärseelsorge gibt, liegt nicht unwesentlich auch an den muslimischen Verbänden selbst. Der ...Verweis auf das zu gründende Institut für islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin illustriert nolens volens, dass der Staat bzw. das Land (hier der Senat von Berlin) immer wieder von sich aus die Initiative ergreift, um entsprechende Institutionen einzurichten, aber ein nicht unerheblicher Teil muslimischer Verbände ist – aus unterschiedlichen Gründen – eher zu den Prozessverzögerern zu rechnen.“

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