„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!“ Diese Lebensweisheit gilt zumal in Zeiten von Corona für das Wertvollste, was ein Land hat: für seine jungen Leute. Aber so wie man Porzellan, soll es seinen praktischen oder ästhetischen Zweck erfüllen, nicht endlos in Watte packen kann, so kann man junge Leute nicht endlos wegschließen. Letzteres ist in den vergangenen sechszehn Monaten freilich wieder und wieder geschehen. Lockdown über Lockdown, Schulschließung über Schulschließung, null Sportverein, null Jugendtreff.
Die Bildungslücken wurden größer
Was hat das mit unseren Kindern und Jugendlichen gemacht? Es hat ihnen Hunderte von Unterrichtsstunden genommen, es hat sie um mehr als ein halbes Schuljahr zurückgeworfen, es hat die Kluft zwischen „bildungsnahen“ und „bildungsfernen“ Kindern vergrößert, es hat ihnen die Begegnung mit Gleichaltrigen vorenthalten. Es hat sie vor den Bildschirm verbannt – zur schier alternativlosen Freizeitbeschäftigung und für die eine oder andere Stunde zum digitalen Lernen namens „Distanzunterricht“. Die Bildungslücken wurden dadurch größer, die Anfälligkeit für psychische Auffälligkeiten wuchs. Mittel dagegen sind der hohen Politik kaum eingefallen.
Bereits der komplette Sommer 2020 wurde verschlafen. Statt sich nach Möglichkeiten umzuschauen, wie man in Zeiten niedriger Inzidenzen an Samstagen oder in Ferien zusätzlichen Unterricht gewinnen könnte; statt die Schulen mit Lüftungs- und Luftreinigungsgeräten auszustatten, fiel der Politik kaum etwas anderes ein als die „Vision“ von noch mehr Digitalisierung. Dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss war, wissen Schulpraktiker. Mittlerweile weiß es auch die Lernforschung. Wenn das neue Schuljahr startet, dann mögen sich die Verantwortlichen endlich Gedanken machen über den Grundsatz: Klassischer Unterricht in realer Nähe von Lehrern und Schülern ist durch nichts zu ersetzen.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.