Politik

Andreas Lob-Hüdepohl : Sachlichkeit extrem wichtig

Andreas Lob-Hüdepohl verteidigt das Papier der Bischofskonferenz zum Rechtspopulismus im Interview. Von Sebastian Sasse
Andreas Lob-Hüdepohl im Interview
Foto: KNA | Andreas Lob-Hüdepohl ist Professor für Sozialethik an der Katholischen Hochschule Berlin.

Herr Professor Lob-Hüdepohl, Sie haben die Arbeitshilfe der Bischofskonferenz zum Thema „Rechtspopulismus“ konzipiert. Der Arbeitskreis der „Christen in der AfD“ hat in Reaktion darauf den Bischöfen einen Dialog angeboten. Sollten die Bischöfe darauf eingehen?

Die Bischöfe können nicht nur mit Rechtspopulisten reden, sondern sie müssen es sogar. Immerhin sind sie gewissermaßen von Amts wegen Brückenbauer in Kirche und Gesellschaft. Allerdings denke ich hier eher an den Dialog mit jenen Menschen, die etwa durch ihre Wahlentscheidungen oder ihre Haltung gegenüber bestimmten Gruppen in der Gesellschaft rechtspopulistische Einstellungen einnehmen.

Hier sagen die Bischöfe: „Wir wollen besser verstehen, warum viele Menschen sich vehement gegen Flüchtlinge oder Angehörige anderer Religionen wenden. Oder warum sie ihren Sorgen über bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen durch ungebändigte Wut und Hass gegen politische Mandatsträger Luft verschaffen.“ Ohne einen offenen Dialog mit diesen Menschen wäre ein solches Verstehen kaum möglich.

Welche Bedingungen müsste die AfD erfüllen, damit aus Ihrer Sicht so ein Dialog möglich wäre?

Die Arbeitshilfe erwähnt die AfD mit keinem Wort. Dass sich die AfD sofort angesprochen fühlt, ist ein ermutigender Schritt der Selbsterkenntnis.

Eine elementare Voraussetzung sehe ich allerdings in einer klaren Absage an rechtsextreme Hetze und Gewalt. Sie muss aber nicht nur bekundet, sondern auch praktiziert werden.

Ich halte es für unerträglich, dass AfD-Politiker bei der Ehrenbekundung des von einem Rechtsextremen ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten sitzen bleiben. Damit wird jenes Fundament zerstört, auf dem jeder Dialog ruht: der Respekt vor der Integrität jedes Menschen über alle legitimen politischen Differenzen hinweg.

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Wäre grundsätzlich eine Versachlichung im Verhältnis zwischen der AfD und den Kirchen wünschenswert?

Eine sachliche Auseinandersetzung ist gerade heute extrem wichtig. Sie umfasst im Stil Fairness und im Inhalt Klarheit. Deshalb erfordert sie mitunter auch eine klare Abgrenzung, wie sie etwa Kardinal Marx für die Deutsche Bischofskonferenz praktiziert, wenn er sagt: Mit einer christlichen Perspektive ist politisches Agieren nicht vereinbar, das vom Schüren von Fremdenfeindlichkeit, von einseitiger Betonung nationaler Interessen oder von einem nationalistischen Kulturverständnis lebt.

Kritiker haben festgestellt, es würde wenig beachtet, dass rechtspopulistische Positionen konkrete Ursachen haben. So würde zu wenig Sensibilität für die Sorgen der Bürger aufgebracht. Etwa mit Blick auf den Islamismus. Können Sie das nachvollziehen?

Diese Kritik überrascht mich. Natürlich bleiben in einer knappen Arbeitshilfe viele Fragen ungestellt und noch mehr Antworten offen. Dennoch: An zahlreichen Stellen wirbt sie ausdrücklich für die intensive Befassung mit den Sorgen und Nöten der Menschen von heute. Sie befasst sich ausführlich mit der existenziellen Bedeutung von Identität und Heimat. Sie verurteilt scharf den Islamismus, warnt aber davor, alle Muslime pauschal mit Islamisten gleichzusetzen.

Joachim Gauck hat darauf hingewiesen, dass zu einer Demokratie selbstverständlich auch rechte Demokraten gehören. Würden Sie diese Einschätzung teilen?

"Demokratie lebt davon, dass sich die
politische Vielfalt eines Volkes
im breiten Spektrum von
„rechts“ bis „links“ abbilden kann"

Ich teile diese Einschätzung voll und ganz. Demokratie lebt davon, dass sich die politische Vielfalt eines Volkes im breiten Spektrum von „rechts“ bis „links“ abbilden kann. Dazu zählen selbstverständlich auch sehr wertkonservative Menschen, die sich als „rechte Demokraten“ bezeichnen mögen. Aber der Altpräsident spricht ja bewusst von rechten Demokraten und nicht von rechten Populisten.

Unter rechten Demokraten herrscht vielfach die Ansicht vor, die Kirche und ihre Amtsträger verfolgten vor allem grüne und linke politische Ziele. Warum besteht so ein Eindruck?

Die Kirche äußert sich zu politischen Fragen aus dem Geist des Evangeliums. Zur DNA der kirchlichen Soziallehre gehört schon der Schutz jeden menschlichen Lebens. Und zwar ohne Abstriche: vom ersten Beginn bis zum letzten Moment. Zur DNA gehört der weltweite Einsatz für Verfolgte aller Art, der konsequente Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, damit auch morgen unsere Kinder und Kindeskinder menschenwürdig leben können. Wenn in solchen christlichen Grundoptionen „linke“ wie „rechte“, „grüne“ wie „liberale“ Demokraten ihre politischen Ziele wiederfinden, deckt die Kirche automatisch ein breites politisches Spektrum ab.

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