Egal ob kleine, handgemalte Schilder in Vorgärten, bunte Plakate an Häuserfassaden oder große, unübersehbare Werbetafeln am Straßenrand. Egal ob in wohlhabenden Vororten oder mittelständisch geprägten Kleinstädten. Egal ob in Pennsylvania, Ohio oder Michigan. Quer durch die USA sieht man die Zeichen, mit denen US-Bürger ihre ungebrochene Unterstützung für den ehemaligen Präsidenten Donald Trump zum Ausdruck bringen. „Trump 2024“ ist zu lesen, „Steh‘ auf, Amerika“ oder „Mach‘ mir keinen Vorwurf, ich habe für Trump gestimmt“. Und immer wieder die leicht grimmige Miene des Ex-Präsident, die zu sagen scheint: Ja, auch ich bin entsetzt darüber, wie unser Land unter Biden gerade vor die Hunde geht. Aber noch ist es nicht zu spät. 2024 komme ich zurück.
Trump war nie weg
Schließt man von den Solidaritätsbekundungen im Kleinen auf das politische Ganze, so hat es tatsächlich den Anschein, als stehe Trumps Comeback unmittelbar bevor. Seit mehreren Monaten hört man im US-Politikbetrieb bereits diese These. Aber trifft es das wirklich, ein Comeback? Bei Licht betrachtet ist es wohl eher so: Trump war nie weg. Und jede seriöse Standortbestimmung der Republikanischen Partei führt zu dem Schluss: An Trump geht kein Weg vorbei. Das gilt für die richtungsweisenden Zwischenwahlen im November, bei denen zahlreiche Kongressmandate und Gouverneursposten neu vergeben werden. Und es gilt für die Präsidentschaftswahlen 2024, deren parteiinterne Vorentscheide allmählich näher rücken.
Der alteingesessene republikanische Senator Mitt Romney, der sich 2012 selbst um das Präsidentenamt bewarb, brachte es jüngst treffend auf den Punkt: „Wenn er 2024 kandidieren will, wird er das sehr wahrscheinlich auch schaffen“, sagte er über Trump. Es sei schwer vorstellbar, was ihn angesichts der Unterstützung aus der Bahn werfen sollte, so Romney, der selbst als einer der exponiertesten Kritiker Trumps gilt.
Allein schon Trumps verstärkte Aktivität in Wort und Tat lässt auf seine möglichen Pläne schließen. Wie kein zweiter Ex-Präsident hat er es sich offenbar zum Ziel gesetzt, als graue Eminenz über Wohl und Wehe aufstrebender und etablierter Parteikollegen zu entscheiden. Einen ersten Stresstest hat Trumps Strategie zuletzt in Ohio bestanden: Der von ihm unterstützte Kandidat J.D. Vance gewann relativ überraschend die republikanische Vorausscheidung für das Rennen um den Einzug in den Senat. Ehe Trump sein Gewicht für ihn in die Waagschale warf, sah es nicht gut aus für Vance. Dass Trump gerade ihn unterstützte, ist brisant: Lange Zeit galt Vance, der 2016 mit dem autobiografisch geprägten Roman „Hillbilly Elegy“ eine Erklärung für Trumps Wahlsieg zu liefern versuchte – und damit einen Bestseller landete – als Kritiker des Ex-Präsidenten. Mit seinem Einstieg in die Politik legte er jedoch eine Kehrtwende um 180 Grad hin – und kopierte Trumps Programm quasi bis ins kleinste Detail.
Viele Kontrahenten sind keine echte Alternative
Auch in weiteren parteiinternen Vorausscheidungen im Vorfeld der Zwischenwahlen unterstützt Trump Kandidaten, beispielsweise in Pennsylvania, North Carolina oder Georgia. In Pennsylvania stimmten die Republikaner vergangene Woche über den Kandidaten für das Amt des Gouverneurs ab: Dort gewann Trumps Favorit Doug Mastriano, der Ex-Präsident stellte sich jedoch erst hinter ihn, als der Sieg schon abzusehen war. Das Kalkül dahinter ist immer dasselbe: Wenn Trump erst einmal Politiker aus der zweiten Reihe vorschickt, können diese die Stimmungslage schon vorfühlen, ohne dass er gleich selbst ins kalte Wasser springen muss. Haben seine Kandidaten Erfolg, wird sich Trump irgendwann auch aus der Deckung wagen.
Aber noch hat er seine Kandidatur nicht offiziell angekündigt. Und solange das nicht geschieht, werden auch andere Republikaner mit dem Gedanken spielen, für ihre Partei in den Ring zu steigen. Es fügt sich dabei gut ins Gesamtbild, dass viele aussichtsreiche Widersacher, die sich als Alternative zu Trump hervortun, im Grunde genommen gar keine echte Alternative bieten. Denn sie versuchen zu punkten, indem sie sich in Auftreten und Inhalt an Trump orientieren. In diese Kategorie fallen bislang beispielsweise der texanische Senator Ted Cruz, schon 2016 einer der Gegenkandidaten Trumps. Oder der Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der Trumps polternden Stil und auch dessen absurdeste politische Ideen oft noch übertrifft. Oder eben der bereits erwähnte Polit-Neuling und Trump-Protegé J.D. Vance, der aber wohl nur in Frage käme, wenn der Ex-Präsident selbst verzichten sollte.
Noch befinden sich die Republikaner in einer frühen Phase des Wettstreits. Kaum einer ist derzeit schon bereit, seine Karten auf den Tisch zu legen. Umso mehr muss man für 2024 auch eine Reihe von Amtsträgern in der ehemaligen Regierung Trumps auf dem Schirm haben. Schließlich gibt es kaum ein besseres Sprungbrett für das höchste Staatsamt, als schon einmal unter dem Präsidenten gedient zu haben. In diese Kategorie fällt etwa Mike Pompeo, Ex-CIA-Direktor und Außenminister unter Trump. Oder Trumps zwischenzeitliche UN-Botschafterin Nikki Haley, deren politisches Talent parteiübergreifend geschätzt wird. Und nicht zuletzt Mike Pence, lange Zeit loyaler Vizepräsident unter Trump. Bis er sich am Tag des Kapitolsturms im Januar 2021 weigerte, auf Trumps Anweisung hin die Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg zu stoppen. Sein größter Akt der Emanzipation von Trump könnte ihm auch bei Trump-Kritikern Pluspunkte einbringen – oder ihn die Unterstützung des Trump-Lagers kosten. Vorwahlen, in denen Trump und Pence gegeneinander antreten, würden in jedem Fall hochspannend werden.
Floridas Gouverneur kann Trump noch gefährlich werden
Von all denjenigen, die sich politisch in Trumps Spuren bewegen, gibt es einen, der dem Immobilienunternehmer und Hobby-Golfer tatsächlich gefährlich werden könnte: Ron DeSantis. Der Gouverneur von Florida verfolgt seit längerem eine Politik, die bei der konservativen Basis bestens ankommt, etwa im Lebensschutz, in der Behandlung der Corona-Pandemie oder in gesellschaftspolitischen Streitfragen wie der Schul- und Bildungspolitik. Gerade mit letzterer sorgte DeSantis jüngst landesweit für Schlagzeilen, als er ein Gesetz unterzeichnete, das die Rechte der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder stärken und vor „progressiven Ideologien“ schützen soll. In DeSantis könnte Trump einen mindestens ebenbürtigen Widersacher finden, da er eine konservative Politik verfolgt, dabei aber deutlich gemäßigter auftritt als Trump.
Und dann gibt es auch noch die Trump-Kritiker in der Partei – auch wenn der Ex-Präsident durchaus erfolgreich war, ihren Einfluss sukzessive zu beschneiden. Einer von ihnen wird den Sprung ins Haifischbecken wagen und bei den Vorwahlen antreten, daran besteht kaum Zweifel. Die Erfolgsaussichten sind aber derzeit eher gering. Zu denjenigen, die gehandelt werden, gehört Adam Kinzinger, Kongressabgeordneter aus Illinois. Oder Larry Hogan, Gouverneur des Bundesstaates Maryland. Und nicht zu vergessen: die Kongressabgeordnete aus Wyoming, Elizabeth Cheney, Tochter des langjährigen Vizepräsidenten Dick Cheney. Sie war nach dem Sturm aufs Kapitol eine der lautstärksten Kritikerinnen Trumps und stimmte sogar dafür, ihn des Amtes zu entheben. Es verwundert kaum, dass Trump in der Vorwahl um den Sitz im Repräsentantenhaus, den Cheney im November verteidigen muss, die Herausforderin Harriet Hageman unterstützt.
Manch einem in der Gruppe der Trump-Kritiker dürfte es vielleicht gar nicht so sehr darum gehen, 2024 selbst ins Oval Office einzuziehen – Ziel ist es zu verhindern, dass Trump wieder im Präsidentensessel Platz nimmt. Dass alle drei oben Genannten antreten, ist daher eher unwahrscheinlich. Denkbar ist, dass sich das Anti-Trump-Lager hinter dem aussichtsreichsten Kandidaten vereint.
Nach den Zwischenwahlen beginnt die entscheidende Phase
Nach den Zwischenwahlen wird das Rennen allmählich Fahrt aufnehmen. Und die Republikaner, vor allem das große Lager der Trump-Anhänger, müssen sich die Frage stellen, ob ein ganz auf Trump zugeschnittener Wahlkampf, in dem der Ex-Präsident weiter von der „gestohlenen Wahl“ 2020 reden wird, auch im Duell mit den Demokraten zum Erfolg führen kann. Umfragen zufolge ist die These des Wahlbetrugs derzeit noch immer mehrheitsfähig unter den Anhängern der Republikaner. Doch es ist nicht auszuschließen, dass es diesmal eine „schweigende Mehrheit“ gibt, die Trump und dessen Politikstil gerne hinter sich lassen würde und daher einen gemäßigteren Kandidaten bevorzugt. Trump selbst gibt sich bislang gewohnt selbstbewusst: Als er kürzlich auf dem Golfplatz als der 45. Präsident der Vereinigten Staaten vorgestellt wurde, korrigierte er: „Der 45. und der 47.“
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