Kolumne

Wir Christen und der neue Kalte Krieg

Wenn es uns nicht gelingt, Demokratien zu unterstützen, wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu praktizieren und gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen wirksam zu ächten, werden auch wir in Europa einer unsicheren Zukunft entgegenblicken.
Ukrainischer Soldat entzündet Kerzen in der Wolodymyski-Kathedrale während der Osterfeierlichkeiten.
Foto: Efrem Lukatsky (AP) | Ein ukrainischer Soldat entzündet Kerzen in der Wolodymyski-Kathedrale während der Osterfeierlichkeiten. Ohne Religion und Glauben wird keine Gemeinschaft auf Dauer bestehen können.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist wieder Krieg am östlichen Rand Europas – und auch die Staaten der EU fühlen sich bedroht. Die sogenannte Friedensdividende, die unser Denken und Planen seit den 1990er-Jahren prägte, ist vergangen und niemand kann absehen, ob nicht noch mehr Staaten in den Krieg hineingezogen werden. Die vernachlässigte Verteidigungspolitik, der Katastrophenschutz und die Zukunft von EU, NATO und UN sind zentrale Themen unserer Tage. Die Weltordnung scheint in einen neuen Kalten Krieg zu driften, der die westliche Welt insbesondere von Russland, China und Indien trennt. Neue Allianzen bilden sich heraus und alte Bündnisse müssen ihren Wert beweisen.

Christliche Wurzeln

Die Besinnung auf unsere christlichen Wurzeln und die darauf fußenden Werte sind dabei entscheidend, um unsere Position in der Welt zu finden und zu behaupten. Vielfach wird versucht, diese christlichen Wurzeln zu leugnen oder zu relativieren – aber über Jahrhunderte haben sie unsere Gesellschaften bis hin zu den Grund- und Menschenrechten geprägt. Nicht zuletzt haben sie mit dazu beigetragen, dass der Ostblock zusammengebrochen ist. Ohne Religion und Glauben wird keine Gemeinschaft auf Dauer bestehen können.

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Hieraus ergibt sich als Aufgabe für die heutige Zeit, dass wir diese Werte wieder in den Vordergrund rücken müssen. Das europäische Friedenswerk muss wieder viel stärker unser internationales Handeln prägen. Gemeinsam mit den USA müssen wir die seit Jahren krankende UN wirkungsvoll und handlungsfähig neu gestalten und Frieden und die Würde des einzelnen Menschen wieder zum zentralen Gegenstand des Völkerrechts machen. „Wandel durch Handel“ darf nicht daran scheitern, dass sich einige wenige unsagbar bereichern, sondern Wohlstand für alle erreicht werden soll, anstatt Konzernen oder reichen Investoren immer mehr Macht zu geben. Spekulationsgewinnen, Steuerschlupflöchern oder Kryptowährungen muss ein Ende gesetzt werden.

Werte verteidigen

Gleichzeitig werden wir nicht umhinkommen, diese Werte und unsere Gesellschaften zu verteidigen. Der Unterschied muss aber sein, dass Verteidigung nicht Aggression ist und militärische Kompetenz nicht zur Unterdrückung anderer eingesetzt wird. Vielmehr müssen Demokratie und Menschenrechte zu Erfolgsschlagern werden. Staaten, die sich zu diesen Werten hinwenden, hat unsere volle Unterstützung zu gelten. Dies wird sich insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent zeigen. Wenn es uns nicht gelingt, Demokratien zu unterstützen, wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu praktizieren und gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen wirksam zu ächten, werden auch wir in Europa einer unsicheren Zukunft entgegenblicken. In diesen Tagen gilt es also unser Wertefundament zu erkennen, gemeinsam in Europa diese Grundlage unzweifelhaft deutlich zu machen, mit der Staatengemeinschaft die UN zu reformieren und mehr in die Gerechtigkeit der Welt zu investieren, als sie auszubeuten. Vielleicht erwachsen aus dem Krieg in der Ukraine neue Chancen für unsere Welt – wir müssen es nur wollen.

Der Autor ist Professor an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Münster und CDU-Politiker. Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der KSZ in Mönchengladbach.

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