Kolumne

Licht und Schatten beim Bürgergeld

Viele halten das Modell des Bürgergeldes für einen gesellschaftlichen Segen. Im Sinne von Solidarität und Subsidiarität ist es jedoch der falsche Weg.
Rund um das Thema Bürgergeld
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Rund um das Thema Bürgergeld gibt es reichlich Unschärfen, die die politische Debatte prägen.

Die Kritik am Bürgergeld wird derzeit vor allem von Vertretern der Ampel-Koalition als „Armenfeindlichkeit“, „Sozialneid nach unten“ und „Schäbigkeitswettbewerb“ verunglimpft. Doch es ist nötig, in der politisch aufgeheizten Diskussion um die von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf den Weg gebrachte Sozialreform zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren.

Vieles an der geplanten Hartz IV-Reform der Bundesregierung ist richtig, so zum Beispiel die Erhöhung der Regelsätze angesichts der Rekordinflation, die sich gerade auch bei der Grundversorgung und bei Lebensmitteln niederschlägt. Positiv ist beispielsweise auch die bessere Unterstützung im Bereich der Weiterbildung.

Kritisches Schonvermögen

Dennoch gehen zentrale Reformelemente in die falsche Richtung. Dazu gehört, dass es im ersten halben Jahr des Bürgergeld-Bezugs („Vertrauenszeit“) keine Mitwirkungspflicht der Leistungsempfänger gibt. Wer leicht vermittelbar ist und nur kurz in der Förderung verbleibt, der wird sowieso keine Sanktionen zu fürchten haben. Für alle anderen, bei denen einer Verstetigung des Bezugs entgegengewirkt werden muss, wird aber ein völlig falsches Signal gesetzt, dem später nur umso schwerer entgegenzuwirken sein wird.

Kritisch zu sehen ist ebenfalls, dass das Schonvermögen dauerhaft erhöht sowie in den ersten beiden Bezugsjahren keine Anrechnung des Vermögens und der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft vorgenommen wird. Diese Regelung gab es zwar auch während der Corona-Pandemie, allerdings war dort auch die Sorge groß, dass viele Angestellte erstmals und lediglich pandemiebedingt kurzfristig ihren Job verlieren könnten. Dass dieses Instrument in der Krise richtig war, bedeutet aber nicht, dass es auch dauerhaft eine gute Lösung ist.

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Schluss mit Fördern und Fordern

Denn mit diesen Änderungen distanziert sich der Staat zunehmend vom Grundsatz des „Förderns und Forderns“. Stattdessen macht die Reform – ganz im Sinne der grünen Programmdiskussionen der vergangenen Jahre – einen großen Schritt in Richtung eines Bedingungslosen Grundeinkommens.

Dabei geht es aber letztlich um ein anderes Verständnis des Sozialstaats, das sich von Subsidiarität und Eigenverantwortung löst, das Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe neu definiert und in dem sich nicht mehr die Gemeinschaft solidarisch um Bedürftige kümmert, sondern das zunächst einmal mit dem Anspruch des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft beginnt.

Falscher Weg

Viele halten ein solches Modell für einen gesellschaftlichen Segen. Im Sinne von Solidarität und Subsidiarität ist es jedoch der falsche Weg.

Die Grundsicherung sollte sich auf diejenigen konzentrieren, die die Unterstützung der Gemeinschaft wirklich benötigen, sie sollte sich dann dort auch besonders engagieren. Derzeit bedeutet das vor allem ein verstärktes Engagement bei Personen, die trotz der guten Chancen am Arbeitsmarkt weiterhin in einer verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit verharren. Dass vom Bürgergeld positive Beschäftigungswirkungen ausgehen, ist im Gegensatz zu Hartz IV indes nicht zu erwarten.

Der Autor ist Politikwissenschaftler und stellvertretender Vorsitzender von Ordo Socialis. Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach.

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Matthias Belafi Bündnis 90/ Die Grünen FDP Grundeinkommen SPD Segen Subsidiarität

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