Um gleich mit der moralischen Tür ins Haus zu fallen: Staatliche Rabatte sind in der Marktwirtschaft Gift und unternehmerische Kartelle ebenso. Aber der Reihe nach. Auf den ersten Blick war es eine gute Idee: Durch eine zeitlich begrenzte Minderung der Steuerlast auf Treibstoff die massiv gestiegenen Preise an den Tankstellen abzumildern. Aber gut gemeint ist oft schlecht gemacht: Staatliche Eingriffe in die Preisentwicklung sind in einer freien Marktwirtschaft skeptisch zu betrachten. Dies gilt auch im Blick auf den ethisch höchst begrüßenswerten Mindestlohn: Vieles ist ethisch wünschenswert, verzerrt aber am Ende den Wettbewerb, den Motor einer Marktwirtschaft. Eine wettbewerbsorientierte Wirtschaftsordnung ist gerade durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage kundenfreundlich und damit sozial. Gewährleistet sein müssen nur die Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit, zum Beispiel durch Bildung und eine Gesundheitsversorgung für alle.
Staatliche Eingriffe
Das geschieht auch begrenzt durch direkte staatliche Eingriffe, etwa durch Festlegung eines Mindestlohnes oder auch durch Subventionen zum Zweck der Stärkung schwächerer Marktteilnehmer. Zwar schreibt einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken, in seinen „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“ warnend, dass „gewisse wirtschaftspolitische Akte vermieden werden: so etwa staatliche Subventionen, Herstellung staatlicher Zwangsmonopole, allgemeiner Preisstopp, Einfuhrverbote…“ Aber es kann durchaus Gründe geben, gezielt einzelne Marktteilnehmer besonders zu fördern. Dies wäre auch im Fall des Tankrabattes besser gewesen: Statt unterschiedslos für Gutverdiener und Alleinerziehende drei Milliarden Euro zu verschleudern, wäre eine gezielte Stützung der Menschen mit geringen Einkommen sinnvoll gewesen.
Kartelle verhindern Wettbewerb
Hinzu kommt das Problem der Kartelle, die Wettbewerb verhindern, was zu oligarchischer, unsozialer Kapitalanhäufung führt – Marktwirtschaft bedeutet nämlich Machtbeteiligung durch ungehinderte Konkurrenz. Walter Eucken mahnte, die Verhinderung von Monopolen gelinge „nicht nur durch Kartellverbote, sondern durch eine Wirtschafts- und Rechtspolitik, welche die starken Kräfte der Konkurrenz, die in der modernen Wirtschaft vorhanden sind, durch Anwendung der konstituierenden Prinzipien zum Durchbruch bringen“. Nur, wo Monopole unvermeidbar sind, etwa im Gesundheitswesen, braucht es eine staatliche Monopolaufsicht: das Kartellamt. Insofern ist es gut, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Erneuerung der Kartellaufsichtmit Blick auf die Mineralölkonzerne als Rückkehr zur Marktwirtschaft anpeilt: Wenn Rabatte in den Taschen der großen Konzerne versickern, stimmt nicht nur mit der Idee von Rabatten etwas nicht, sondern erst recht nicht mit der Idee des Wettbewerbs. Davon aber lebt die Soziale Marktwirtschaft: Dass es keine Bereicherung Einzelner geben kann, außer durch Leistung und Konkurrenz. Und dazu gehört die strenge Kartellaufsicht – denn Monopole entstehen immer dann, wenn die natürliche Kontrolle der Konkurrenz fehlt. Und da muss der Staat eingreifen – nicht aber durch willkürliche Rabattaktionen.
Der Autor ist Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach. Diese Kolumne erscheint in Kooperation mit der KSZ.
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