Vor zwei Wochen, am 24. Februar, starb im hohen Alter von 88 Jahren der verdienstvolle Rechtsprofessor und langjährige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde, gläubiger Katholik und SPD-Mitglied und bis zuletzt übrigens geistiger Gesprächspartner des nicht unumstrittenen bekannten Staatsrechtlers Carl Schmitt.
Sein berühmtes Diktum von 1964 geht, wie jüngst ein anderer großer Verfassungsrechtler unseres Staates, Horst Dreier, im letzten Kapitel seines sehr lesenswerten Buchs „Staat ohne Gott?“ darlegte, auf seinen philosophischen Lehrer in Münster, Joachim Ritter, und letztlich auf Hegel und sein Verständnis vom Staat zurück: Der Staat gleichsam als Platzhalter Gottes sorgt durch Recht und Gesetz für das Überleben des Abel im Angesicht des mordenden Kain.
Der Staat sorgt für umfassende Gerechtigkeit in den Grundrechten auf Leben, Wahrheit, Familie und Eigentum. Mithin sorgt er für den Kern der Zehn Gebote. Schon Augustinus dachte so vom Staat und alle nach ihm bis Hegel.
Und bis eben zu Böckenförde.
Sein großartiges Diktum prägt unser Verständnis von Staat und Wirtschaft bis heute: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“
Das meint zweierlei: Der säkularisierte Staat hat keine Staatsreligion, aber er vertraut auf die guten Kräfte der Religion und des Glaubens an Gott; er selbst ist nur Platzhalter und kann Gott und religiöse Überzeugungen von unbedingter Menschenwürde und Gottebenbildlichkeit nicht selbst herstellen oder garantieren; er hofft auf gläubige Menschen!
Die Voraussetzungen des Staates liegen im Glauben von Menschen an mehr als nur ihren kurzfristigen Profit.
Die Voraussetzungen des Staates liegen eben auch im Einsatz von Unternehmern, die Risiken auf sich nehmen und Profit machen und Gewinne investieren zugunsten anderer Menschen; so entsteht Wirtschaftethik.
Und zweitens: Der Staat steht an zweiter Stelle, nach Person und Ehe und Familie und privaten Überzeugungen.
Der Staat ist nach dieser Auffassung nicht totalitär, wie im Kommunismus, nicht ideologisch, sondern achtet und schützt die Freiheit der Bürger.
Auch und gerade übrigens die Freiheit, an Gott zu glauben und sich Rechenschaft vor Gott zu geben, und nicht nur vor dem eigenen Scheckheft.
Der Staat hofft auf ein starkes Bewusstsein seiner Bürger vom Jenseits – nur dann nämlich gelingt die Gestaltung des Diesseits in Mühe und Verzicht zugleich und wird nicht einfach ausgepresst zugunsten eigener egoistischer Interessen wie eine Zitrone.
Ernst-Wolfgang Böckenförde hätte vielleicht gesagt: Wer den guten Staat will, tut gut daran, an den guten Gott zu glauben!