Soziallehre

Für mehr Familiengerechtigkeit

Für die Gesellschaft ist nämlich nicht nur relevant, dass es genügend Nachwuchs gibt, sondern eben auch wie dieser aufwächst und erzogen wird.
Familie als Keimzelle der Gesellschaft
Foto: Jill Wellington/pixabay | Familien sind und bleiben die Keimzelle der Gesellschaft.

Die Familie wird zu Recht immer wieder hochgelobt als Fundament und Keimzelle von Gesellschaft und Kirche – ohne Familien ist eben kein Staat und auch keine Kirche zu machen.

Das Ja oder Nein zur Elternschaft wird inzwischen jedoch vermehrt kontrovers debattiert: Die wiederkehrende Gegenthese zu den Hoheliedern auf die Familie lautet, dass Kinder kein gesellschaftliches „Gut“, sondern reine Privatsache, gar bloß ein „aufwendiges Hobby“ seien. Manche propagieren inzwischen sogar die „Kinderfreiheit“ als ökologischere und sozialere Lebensweise in Zeiten des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung.

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Besonderer Schutz des Staates

Das sieht die katholische Kirche mit ihrer Soziallehre anders: „Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden. Darum begrüßen die Christen zusammen mit allen, welche diese Gemeinschaft hoch schätzen, aufrichtig all die verschiedenen Hilfen, mittels derer man heute in der Förderung dieser Gemeinschaft der Liebe und im Schutz des Lebens vorwärtskommt“ (Gaudium et spes, Nr. 47). Ehe und Familie muss demnach ein besonderer Schutz des Staates zukommen – so will es auch Artikel 6 unseres Grundgesetzes.

Dabei geht es nach katholischer Lehre jedoch nicht einfach darum, Kinder bloß „in die Welt zu setzen“. Es gilt vielmehr das Prinzip „verantworteter Elternschaft“, wonach die Ehepartner sorgfältig in ihrem eigenen Gewissen abwägen dürfen und sollen, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchten und ob sie die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Aufwachsen gewährleisten können. Auch diese Entscheidungsfindung aber bleibt nie nur privat. Für die Gesellschaft ist nämlich nicht nur relevant, dass es genügend Nachwuchs gibt, sondern eben auch wie dieser aufwächst und erzogen wird. Es geht die Gesellschaft etwas an, ob in Familien und in Betreuungseinrichtungen die Bedingungen stimmen, damit Kinder gesund groß werden und sich zu stabilen, erwerbsarbeitsfähigen und lebenstüchtigen Persönlichkeiten entwickeln können.

Familien brauchen mehr Zeit und mehr Geld

Es braucht schließlich immer wieder neue Generationen junger Arbeitskräfte, die die Wirtschaft am Laufen halten und dabei Steuern und Beiträge für einen funktionierenden Sozialstaat und stabile Sozialversicherungen erbringen. Doch bei Arbeitgebern ist noch immer nicht flächendeckend akzeptiert, dass Familien mehr Zeit und mehr Geld brauchen. Die Benachteiligung von Frauen im gebärfähigen Alter bei der Jobsuche oder bei Beförderungen etwa gibt es bis heute. Viele Menschen möchten Kinder, Mütter wollen berufstätig sein oder bleiben, Väter möchten heute mehr Zeit mit dem ihrem Nachwuchs verbringen und Paare ihre Rollen gleichberechtigt gestalten. Der familienpolitische Fokus sollte in dieser Legislaturperiode daher auf weitsichtigen Maßnahmen zur Entlastung von Familien sowie auf der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegen. Es geht dabei sozialethisch um Familiengerechtigkeit als Bündelung von Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Referent der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach. Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der KSZ.

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Lars Schäfers Vereinbarkeit von Familie und Beruf

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