Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Der kapitalistische Samariter

Ist das heilig oder kann das weg?

„Eucharistie raus, Kulturcafé rein“? Bitte nicht. Auch wenn Kirchengebäude teuer sind: sie haben einen Wert, der nicht in Euro zu bemessen ist.
Buchhandlung in der ehemaligen Dominikanerkirche im niederlaendischen Maastricht
Foto: Heike Lyding via www.imago-images.de | Früher war hier nur die Bibel zuhause: Buchladen in der ehemaligen Dominikanerkirche in Maastricht.

„Junge, sei sparsam!“, so riet mir meine Oma oft. Das war ein guter Tipp, denn es ist immer sinnvoll, wirtschaftlich zu denken … Immer? Nein. Nur wenn es um Dinge geht, die einen Preis haben. Daneben gibt es aber andere Dinge, die einen Wert haben – das ist etwas wesentlich anderes. Was einen Wert hat, kann mit keinem Preis bemessen werden; schon die Frage nach dem Preis ist bei einem echten Wert eigentlich sinnlos. Die Wichtigkeit dieser Unterscheidung wird mir wieder schmerzlich bewusst, wenn ich mir den aktuellen Umgang mit unseren Kirchengebäuden anschaue.

Lesen Sie auch:

Zugegeben: Die Menschen treten in Scharen aus der Kirche aus, und auch von den Übergebliebenen besuchen nur noch etwa sechs Prozent regelmäßig die Messe. In den Diagnosen liest man von einem „Überangebot“ der Kirchen, als würde sich deren Wert so einfach durch Angebot und Nachfrage bestimmen lassen. Der „Wert“ einer Kirche ist ja nicht die Zahl, die auf einem Gutachten in der Spalte „Immobilienwert“ steht. Die Prognosen gehen derzeit davon aus, dass etwa ein Drittel aller Kirchengebäude in Deutschland in den nächsten Jahren umgenutzt, profaniert oder abgerissen werden wird. Wobei der Begriff der „Umnutzung“ hier natürlich ebenso sinnlos ist wie zu Anfang der Begriff „Preis“ – eine Umnutzung setzt ja voraus, dass es bei einer Kirche nicht zuerst um einen Wert, sondern um einen Nutzen ginge. Es handelt sich aber nicht einfach um ein Gebäude wie den Supermarkt oder die Tankstelle. Tankstellen haben einen Nutzen, Tabernakel haben einen Wert!

Ein Beispiel aus der Literatur: Der katholische Romanklassiker „Wiedersehen mit Brideshead“ beschreibt das Leben einer Adelsfamilie; als die Mutter stirbt und die Kinder aus dem Haus sind, muss die Schlosskirche profaniert werden. Die jüngste Tochter, die dort täglich betete, berichtet davon: „Der Priester sah mich nicht, aber er nahm den Altarstein und tat ihn in seine Tasche; dann verbrannte er die Watte mit dem heiligen Öl und warf die Asche hinaus; er leerte das Weihwasserbecken und pustete die Kerze beim Allerheiligsten aus und ließ den Tabernakel offen und leer, als wäre von nun an für immer Karfreitag.“ Eine ergreifende Szene. Ich frage mich, wie viele Menschen bei der „Umnutzung“ ihrer Kirche wohl mehr verlieren als ein Gebäude – die Kirchbank, auf der man als Kind jeden Sonntag mit den lieben Eltern saß, oder den Ort, an dem man sich mit dem langjährigen Ehepartner das Ja-Wort gegeben hat? Das ist kein Ort, um wirtschaftlich zu denken, sondern ein heiliger Ort. Generationen vor uns haben aus Ehrfurcht vor dem Heiligen in schwerster Arbeit Säulenhallen mit zwanzig Metern Deckenhöhe aus dem Boden gestampft – wir erben dieses Vermächtnis und fürchten uns vor den Heizkosten. „Eucharistie raus, Kulturcafé rein!“ Ein Ort, an dem doch noch eine einzelne Seele Gott begegnen könnte? Rechnet sich nicht. Und was noch schlimmer ist: Die Möglichkeit, dass diese Gebäude sich irgendwann einmal wieder füllen könnten, scheint von vornherein ausgeschlossen. Im Dunkel des Karfreitags findet sich ja überhaupt nur irgendein Sinn, wenn man auf die Morgensonne des Ostersonntags hoffen kann. Wenn einem das Ausharren aber zu teuer wird, dann gute Nacht.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Maximilian Welticke Eucharistie Karfreitag Kirchen und Hauptorganisationen einzelner Religionen Kirchliche Bauwerke

Weitere Artikel

Warum ich mich habe katholisch taufen lassen. Die Geschichte einer Bekehrung.
10.08.2025, 11 Uhr
Riccardo Wagner
Der US-Erfolgsregisseur Mel Gibson arbeitet an der Fortsetzung seines Welterfolgs „Die Passion Christi“, mit komplett neuer Besetzung. Jaakko Ohtonen ersetzt Jim Caviezel als Jesus.
16.10.2025, 17 Uhr
Meldung

Kirche

Was ist Synodalität? „Niemand ist dazu berufen zu befehlen, alle sind dazu berufen zu dienen“, predigte Papst Leo bei der Heilig-Jahr-Feier der Synodenteams in Rom.
29.10.2025, 21 Uhr
Guido Horst
Leo XIV. besucht die Türkei und den Libanon, um die Einheit der Christen zu fördern und ihre Stellung im Orient zu stabilisieren.
29.10.2025, 17 Uhr
Stephan Baier
Er will „neue Landkarten der Hoffnung zeichnen“: 60 Jahre nach der Konzilserklärung zu Erziehung und Bildung bricht Papst Leo XIV. eine Lanze für eine Pädagogik im Sinn des Evangeliums
29.10.2025, 10 Uhr
Meldung
Entweder hilft die Synodalität, den Heiligen Geist wirken zu lassen, oder sie ist nutzlos und überflüssig.
29.10.2025, 06 Uhr
Guido Horst