Thomas Hobbes hat den Leviathan, das alttestamentliche Ungeheuer des Jüngsten Gerichts, zum Sinnbild des allmächtigen Staates gemacht. In seiner gleichnamigen staatsphilosophischen Schrift aus dem Jahre 1651 sieht er uns Bürger und damit das Staatsvolk im Würgegriff des ständig erstarkenden bürokratischen Staatsapparates. Bürokratie ist aber nach Max Weber die idealtypische Form einer legalen und rationalen Herrschaft.
Wesentliche Entscheidungen der Exekutiven werden nicht willkürlich von einzelnen Personen, sondern nach klaren Vorgaben und innerhalb festgelegter Strukturen getroffen. Sobald es an guter Verwaltung, mithin an Bürokratie mangelt, bahnen sich andere Entscheidungsformen ihren Weg. Korruption, Vetternwirtschaft, Steuerhinterziehung, Bestechung und Unterschlagung von Staatseigentum sind nur einige Folgen von nicht funktionierenden Staatstrukturen. Doch wie passt Hobbes Angst vor dem die Bürger entmündigenden Staatsapparat und Webers Sehnsucht nach ordnender Verwaltung zusammen? Sie sind keine Widersprüche – sie sind Maß und Mitte.
Ohne einen ordnenden Staat lassen sich Gerechtigkeit, Freiheit, Fürsorge oder die Gestaltung einer globalen Zukunft nicht meistern. Die Frage ist also nicht, „ob“ wir Bürokratie benötigen, sondern wo und wieviel. Wenn Bürokratieabbau ein Narrativ ist, das wir nicht mehr differenziert hinterfragen, entmachtet sich der Staat zum Beispiel in Sicherheitsfragen, weil schlichtweg Polizisten und Soldaten fehlen. Gleichzeitig lähmt er zum Beispiel die Wirtschaft, indem er für jedes Brötchen eine Rechnung fordert oder für jede Tätigkeit zahlreiche Genehmigungen.
Nicht alles muss geregelt werden
Was ist der Grund, warum wir in Deutschland Maß und Mitte nicht mehr finden? Zum einen ist es die heutzutage im System etablierte Schwäche, für Macht keine Verantwortung mehr tragen zu wollen, und die gleichzeitig nicht vorhandene Fehlerkultur. Wer heutzutage in Führungsfunktion Fehler macht, ist weg. Karrieren werden in Sekunden beendet und die Medien helfen gerne dabei. Wer für keine Probleme oder Fehler verantwortlich gemacht werden kann, kann mit der Zeit bis in Spitzenpositionen kommen – bloß nicht anecken oder negativ auffallen. Das Prinzip der Subsidiarität aus der katholischen Soziallehre wird sträflich vernachlässigt. Wir haben schon beinahe unser Gespür dafür verloren, was der Staat eigentlich alles nicht regeln sollte.
Wenn sich Wirtschaftsverbände immer mehr staatliche Förderprogrammen und Subventionen wünschen, anstatt konkrete Gesetze zu benennen, die abgeschafft werden müssen, muss man sich nicht wundern, dass der Staat für alles Regelungen schafft, anstatt nur das mutig zu entscheiden, was wirklich wesentlich ist. Und wir als Bürger sollten auch nicht für alles eine Regelung verlangen und immer öfter nach dem Staat rufen, sondern mutig einfach mal machen! Dazu müssen wir aber endlich wieder differenzieren, wo und wieviel Bürokratie wir brauchen – zurück zu Maß und Mitte!
Der Autor

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.