Finanzmarkt

Fünf Prozent Inflation

2021 wird die Inflationsrate so hoch wie seit knapp 30 Jahren nicht mehr ausfallen.
Inflation im Euroraum
Foto: Patrick Pleul (dpa-Zentralbild) | Katholische Unternehmer und Sozialethiker sorgen sich über die massive Geldentwertung.

Die Corona-Pandemie hat die Inflation zurückgebracht. Nach Informationen des Statistischen Bundesamtes ist die Inflationsrate im August um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Einen höheren Wert für die Teuerungsrate wurde zuletzt im Dezember 1993 ermittelt: Damals lag die Inflation bei 4,3 Prozent. Vor allem die steigenden Energiepreise heizen die Teuerung im Moment an. Verglichen mit dem Vorjahresmonat legte der Preis um 12,6 Prozent zu. Die Preise für Nahrung stiegen um 4,6 Prozent. Ziemlich unterdurchschnittlich verteuerten sich hingegen mit 2,5 Prozent Dienstleistungen. Ebenso Wohnungsmiete mit 1,3 Prozent.

Die Teuerung lässt sich vor allem mit dem sogenannten Basiseffekt erklären. Die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung, die bis Ende des letzten Jahres galt, macht sich nun bemerkbar. Um in der Corona-Krise den Konsum anzukurbeln, hatte der Bund von Juli bis Ende Dezember 2020 die Mehrwertsteuer gesenkt. Durch die Rückkehr zu den regulären Mehrwertsteuersätzen sind Waren und Dienstleistungen nun also tendenziell wieder teurer geworden. Glaubt man Experten wie dem Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann, dann geht die Teuerung auch in den kommenden Monaten nach oben. Bis Jahresende könnte sich die Teuerungsrate in Richtung fünf Prozent bewegen. Erst im kommenden Jahr, so die Einschätzung der Fachleute, könnte sie nachgeben.

Inflation schwächt die Kaufkraft

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, aber auch Unternehmen sind von den Entwicklungen betroffen. Für Professor Ulrich Hemel, den Vorsitzenden des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) wird der Ernst der Lage für Unternehmen im Moment in der öffentlichen Diskussion noch nicht deutlich genug. Gerade im Moment führe er viele Gespräche mit Unternehmen und habe die Lage daher sehr gut im Blick. „Im Moment haben wir tatsächlich eine Verknappung auf vielen Märkten, die die Situation für viele Unternehmen sehr schwierig macht. Dadurch tritt eine Lage ein, in der es unausweichlich werden wird, die Kostensteigerungen, die beispielsweise in der Produktion entstehen, als Preiserhöhungen an die Verbraucher weiterzugeben“, erklärt Hemel. Das sei vor allem notwendig, da gerade im Mittelstand die Eigenkapitaldecke geschrumpft sei.

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Für die Unternehmen sei es nun sehr schwierig, dem Verbraucher zu verdeutlichen, wer welchen Anteil an der Preissteigerung tragen trage. „Einer der Gründe ist, dass derzeit immer noch große Logistikengpässe in Bezug auf China bestehen. Die aktuellen Containerkosten haben sich vervielfacht. Die Unternehmer müssen nun den Kunden erklären, dass das gleiche Produkt künftig statt zuvor zehn, nun beispielsweise zwölf Euro kostet“, so Hemel. Das bringe natürlich Unruhe in die Märkte.

Besonnenheit und Augenmaß

Laut des Bundesvorsitzenden des Verbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), Josef Ridders, birgt Inflation eine Gefahr für das gesellschaftliche Gleichgewicht. „Die Diskussion über die Steigerung der Inflationsrate führt uns offensichtlich vor Augen, wie schmal der Grat ist, auf dem sich unser individueller Wohlstand und das Gefühl der ökonomischen Sicherheit aufbaut“, sagt er. Negative Sparzinsen, höhere Verbraucherpreise und stark ansteigende Benzinpreise sorgten übergreifend in vielen sozialen Schichten für wachsende Unsicherheit und ein stärker werdendes Gefühl der sozialen Ungerechtigkeit. Zukunftsangst und Pessimismus würde auch in der einstmals stabilen Mittelschicht immer größer werden.

Hier sieht der KKV-Bundesvorsitzende Politik und gesellschaftliche Multiplikatoren in der „ethischen Verantwortung“. Diese müssten sensibel zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen agieren und gerade in dieser Phase für einen gerechten Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, unternehmerischen Wachstumsinteressen und der Sicherheit der Arbeitnehmer, Rentner und Familien sorgen. Als Christ müsste man die Frage stellen, wie zukunftsfähig eine Wirtschaft ist, die maßgeblich auf stetigem Wachstum fußt. „Die Idee des grenzenlosen und unendlichen Wachstums gründet auf der Annahme der unendlichen Verfügbarkeit von Ressourcen. Die Wahrung der Schöpfung sollte uns als Christen aber Anliegen und Motivation sein, unser Handeln zu überdenken“, gibt Ridders zu bedenken.

Kein Grund zur Panik

Grund für eine Panik angesichts der steigenden Inflation, sieht der christliche Sozialwissenschaftler und Moraltheologe, Professor Dr. Peter Schallenberg von der Universität Paderborn, hingegen nicht. Aus sozialethischer Perspektive sei zwar klar, dass Inflation eine Menge negativer Folgen habe, da sie schleichend und fast unmerklich Eigentum entwertet. Dieses sei aber ein wichtiger Pfeiler der marktwirtschaftlichen Ordnung und zudem für die katholische Soziallehre seit der Enzyklika „Rerum novarum“ aus dem Jahr 1891 klar. „Inflation bestraft die Sparer und nicht zuletzt die Kleinsparer; Inflation entlastet aber umgekehrt die Schuldner, weswegen stark verschuldeten Staaten eine höhere Inflation gerade recht ist.“, so Professor Schallenberg.

Eine starke Inflation erschwere zudem besonders familiengeführten Unternehmen und Privathaushalten eine vorausschauende Planung der nötigen und wünschenswerten Investitionen. Eine starke Inflation sei daher Gift für die Soziale Marktwirtschaft, die aufbaue auf starkem Mittelstand, starkem Handwerk und gesichertem Privateigentum. Allerdings führt Schallenberg die steigende Inflation im Moment eher auf Sondereffekte wie steigende Energiepreise durch den schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und Engpässen in den globalen Lieferketten zurück. Das wird sich, nach Einschätzung des Sozialethikers, auch in Zukunft noch fortsetzen. Daher bestehe zwar kein Grund zur systemischer Panik, wohl aber zur Besorgnis und zu einem gewissen Gegensteuern insbesondere im Feld der Ressourcennutzung und des Energiewandels. „Es braucht den mittleren Königsweg zwischen Energieradikalismus einerseits und Marktradikalismus andererseits, zwischen Ökosozialismus und Marktliberalismus“, so der Moraltheologe.

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