1963 veröffentlichte die große US-amerikanische Feministin Betty Friedan ihr wohl bekanntestes Werk „The Feminine Mystique“ oder zu Deutsch: „Der Weiblichkeitswahn“. In dem Buch, das den Beginn der zweiten Welle der Frauenbewegung markierte, wehrte sich Friedan gegen die Vorstellung, dass die Frau vor allem als Hausfrau und Mutter zu existieren habe. Als Friedan im Jahr 1981, fast zwei Jahrzehnte später, „The Second Stage“ veröffentlichte, hatte sich das Bild der Frau in den USA bereits verändert. Nicht nur zum Besseren, wie Friedan aufzeigte.
Die „Durchkapitalisierung“ der Ehe
Denn den „Weiblichkeitswahn“ habe eine „Feminist Mystique“, also ein „Feminismuswahn“, ersetzt, der Frauen geradezu ins Berufsleben dränge und solche, die sich bewusst dagegen entscheiden, abwerte. Friedan sah die Befreiung der Frau als um den Preis ihrer Eingliederung in den kapitalistischen Arbeitsmarkt erkauft – samt damit einhergehender persönlicher Verwerfungen. Die nächste Stufe des Feminismus im Sinne Friedans sollte dieses Umschlagen der Situation der Frau in ihr Gegenteil überwinden und ihr wahrhaftige Freiheit schenken.
Utopische Ziele
Das hehre bis utopische Ziel Friedans geriet jedoch ins Hintertreffen. Anstelle des Einsatzes für echte Wahlfreiheit trat einerseits feministische Realpolitik und andererseits Intersektionalität und Gendertheorie. In Deutschland gibt es mit dem Ehegattensplitting seit 1958 ein steuerpolitisches Instrument, das immerhin die Macht des Arbeitsmarktes über die Freiheit der Frau wie des Mannes, zwischen Beruf, Familie oder hybrider Lebensform zu wählen, durch steuerliche Gleichbehandlung der Ehepartner begrenzt. Eine am grundrechtlichen Schutz der Ehe orientierte Funktion, die auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anerkennt.
Der in Deutschland nicht nur das wirtschaftliche Wachstum, sondern auch die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Rente zunehmend gefährdende Fachkräftemangel macht diese Begrenzung in Augen vieler Kritiker geradezu obsolet.
Wahlfreiheit wird gegen Produktivität ausgespielt
So plädierte DGB-Chefin Yasmin Fahimi zuletzt gegenüber der „Rheinischen Post“ dafür, „Erwerbsarbeit und Weiterbildung für Frauen attraktiver zu machen“. Der den Eheleuten mit Gehaltsunterschieden durch das Ehegattensplitting gewährte Steuervorteil sei ein Anreiz für viele Frauen, ihre Erwerbsarbeit nicht auszuweiten und in einem Teilzeitjob zu verharren, so Fahimi. Im Gegenzug fordert sie „eine gut ausgestattete Kindergrundsicherung“.
Ehe als Verantwortungsgemeinschaft
Im Gespräch mit der „Tagespost“ betont Sylvia Pantel, Geschäftsführerin der gemeinnützigen „Stiftung für Familienwerte“ jedoch, dass der Staat von der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft mit ihren auf ein ganzes Leben ausgerichteten Versorgungs- und Sorgeverpflichtungen profitiere, währende eine Abschaffung des Ehegattensplittings das Wirtschaftsmodell Ehe schlechter stellen würde als Unternehmen.
„Die Abschaffung des Ehegattensplittings ist ein weiterer Versuch, die Ehe noch mehr zu schwächen und zusätzliche Gelder für den Staat zu generieren“, sagt Pantel. Um Frauen Unabhängigkeit während der Erziehung kleiner Kinder zu verschaffen, wäre stattdessen eine Verlängerung und teilweise Erhöhung des Elterngeldes in Betracht zu ziehen. Zudem gelte es, flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen sowie den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen im Laufe der Erziehungsphase anzuerkennen und so – auch im Hinblick auf Demografie und Fachkräftemangel – „bessere Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen und keine schlechteren“.
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