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Der Ton macht die Demokratie

Die Demokratie nimmt Schaden, wenn politische Gegner noch im Tod bekämpft werden. Die Begleitmusik zur Ermordung Charlie Kirks darf nicht zur neuen Normalität werden.
Gedenken an Charlie Kirk
Foto: IMAGO/Ilkin Eskipehlivan (www.imago-images.de) | Der Tod verlangt für alle gleiches Recht, spricht Antigone. So muss es sein. Im Bild eine Gedenkstätte in Berlin.

„Jede Neuerung der Musik ist eine Gefahr für den ganzen Staat“, so postuliert Plato in der „Politeia“ und begründet seine wunderlich anmutende Behauptung damit, dass alsbald die Feinheit der Sitten verfalle, habe man sich erst einmal an schlechte Musik gewöhnt. Das klingt übertrieben? Verurteilen wir die Politik der alten Griechen nicht zu schnell, schließlich verdanken wir ihnen unsere Demokratie.

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Auf der anderen Seite des Atlantiks ist vor zwei Wochen der Aktivist Charlie Kirk ermordet worden. Als kontrovers galt er, weil er an Universitäten ging, um mit Studenten anderer Meinung zu diskutieren; dabei waren manche seiner Positionen einfach christlich-konservativ, andere sah man als problematisch an – doch über Tote redet man nicht schlecht, so sagten meine Eltern immer. Schaue ich auf mein Handy, scheint das aber nicht bei allen Eltern ein Erziehungsmaßstab gewesen zu sein: Auf Instagram beklagt es die Linksjugend Hannover als „fatalen Fehler“, um Kirk zu trauern; ihre Genossen von der Linksjugend Hanau veröffentlichen ein Bild des Ermordeten mit seiner dreijährigen Tochter auf dem Arm – die Aufschrift: „Verrotte in der Hölle!“

Auch das gab es schon bei den alten Griechen

Ich lese das und frage mich, ob unsere Demokratie nicht doch Schaden nimmt, wenn dieser Tonfall die „neue Musik“ ist. Denn die Minimalvoraussetzung einer „Herrschaft des Volkes“ ist ja wohl wenigstens, dass man auch Menschen anderer Meinung zugesteht, gute Absichten zu haben und eine Bereicherung für den Diskurs zu sein. Dazu gehört auch, um die Opfer politischer Morde trauern zu können, egal auf welcher Seite sie zu verzeichnen sind. Wer allerdings die Meinung der anderen Seite für problematischer hält als politische Morde und diese sogar noch glorifiziert, kann nun wirklich nicht als Demokrat bezeichnet werden. Dass zwei kleine Kinder ihren Papa nie mehr wiedersehen werden, eine Ehefrau ihren Gatten begraben muss und eine junge Familie für immer zerstört ist, scheint in der öffentlichen Debatte nicht zu interessieren – kaum ein Medium berichtet von dem Attentat, ohne darauf einzugehen, wie unbequem und problematisch Kirk doch gewesen sei.

Und auch das gab es schon bei den alten Griechen: Als Antigone verbotenerweise ihren in Ungnade gefallenen Bruder bestattete, wusste sie, dass „der Tod für alle gleiches Recht verlangt“ – und der Tyrann erwidert ihr: „Nicht für die Guten und die Bösen gleich.“ Dieselbe tyrannische Mentalität scheint derzeit das mediale Orchester zu dirigieren, und wenn wir uns an diese Musik gewöhnen, reißen wir die Demokratie womöglich wirklich in zwei Lager: Wenn das Volk herrschen soll, dann darf der Bürger kein griechischer Tyrann sein, sondern er muss ein Gentleman sein. Da denke ich an den Ausspruch Romano Guardinis, ein Gentleman „sei einer, in dessen Händen die zarten Dinge gut aufgehoben sind“, und – passend zu Plato – er sei „jener, der keinen Lärm macht.“


Der Autor studiert Theologie an der Theologischen Fakultät Paderborn.

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