Kolumne

Der neue Mensch

Wenn menschliche Gehirnaktivitäten durch künstliche Intelligenzsysteme beeinflusst werden, öffnen sich nicht nur medizinische Chancen, sondern auch Abgründe der Manipulation.
Cyborg in the city. Generative AI A cyborg in the futuristic city. Generative AI
Foto: IMAGO/Alexander Limbach (www.imago-images.de) | Nicht alles, was technologisch machbar und ökonomisch effizient ist, kann auch moralisch überzeugen.

Die Verschmelzung von Mensch und Maschine ist in vollem Gange und im Grunde nichts Neues. Die Verstärkung des Menschen durch Implantate und Prothesen ist weit verbreitet. Herzschrittmacher und künstliche Hüftgelenke sind seit Jahrzehnten medizinischer Standard. Digitale Intelligenz eröffnet dabei immer neue Horizonte. Impulsgebende Computer werden mit dem zentralen Nervensystem verbunden und ermöglichen tauben Menschen zu hören, blinden zu sehen und gelähmten wieder zu gehen. Der technische Fortschritt ist immens und verspricht Patienten Heilungschancen, Firmen satte Pioniergewinne und der Politik wirtschaftliches Wachstum.

Rasante Dynamik

Angesichts dieser rasanten technologischen Dynamik warnt Papst Franziskus vor dem Trugschluss, „das Handeln, vor allem der großen Organisationen, wäre bloß nach funktionalen Aspekten zu beurteilen, so als ob alles, was möglich ist, eben deshalb auch ethisch zulässig wäre“. Der Technikoptimismus unserer Zeit dürfe nicht den Blick auf die anthropologischen Konsequenzen des „hybriden Denkens“ verstellen. Darunter versteht Franziskus die Verbindung „von biologischem und nicht-biologischem Denken“. Wenn menschliche Gehirnaktivitäten durch künstliche Intelligenzsysteme beeinflusst werden, öffnen sich nicht nur medizinische Chancen, sondern auch Abgründe der Manipulation, insbesondere, wenn der Mensch nicht vollumfänglich über die weitreichenden Konsequenzen aufgeklärt wird, die sich aus dem Brückenschlag vom Gehirn zum Computer ergeben.

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Technologische Umgestaltung

„Die Verschmelzung der kognitiven Fähigkeiten des Menschen mit der Rechenleistung von Maschinen“ führe, so kritisiert Papst Franziskus, zu einer technologischen Umgestaltung des Homo sapiens, hin zu einem hybriden Wesen. Eben dies ist das erklärte Ziel des „Transhumanistischen Projekts“. Ein solcher Transhumanismus strebt danach, den vulnerablen Menschen durch technische Optimierung zu überwinden und ihm die Perspektive einer irdischen Unsterblichkeit zu eröffnen. In unserer kaufkräftigen Konsumgesellschaft ist dieser Prozess der Selbstperfektionierung mit dem Ziel, immer schöner und länger zu leben, bereits in vollem Gange und „geschieht vor unseren Augen“. Altern erscheint zunehmend als Krankheit und die Überwindung des Todes erstrebenswert.

Soziale und ethische Fragen

Papst Franziskus weist darauf hin, dass der Transhumanismus grundsätzliche soziale und ethische Fragen aufwirft. Nicht alles, was technologisch machbar und ökonomisch effizient ist, kann auch moralisch überzeugen. Wir bedürfen deshalb einer neuen sozialethischen Denkanstrengung, um zustimmungswürdige und orientierungsstiftende Beurteilungsmaßstäbe für ein Zusammenwachsen von Mensch und Künstlicher Intelligenz zu entwickeln, damit der Homo sapiens durch KI gestärkt und nicht verdrängt wird. Deshalb fordert Papst Franziskus eine dialogische Verantwortungskultur, in der die Sorge um die Zukunft des Menschen im Mittelpunkt steht.

Der Autor lehrt Philosophie an der Universität Siegen, an der Hochschule für Philosophie München und der WHU Vallendar. Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach.

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Thomas Rusche Papst Franziskus Sozialethik

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