Lastenausgleich

Corona-Abgabe für Superreiche?

Wer soll zur Lösung der Finanzprobleme, die durch die Panbdemie entstanden sind beitragen? Es geht um soziale Gerechtigkeit, aber nicht im Sinne eines neuen Lastenausgleichs. Zweiter Teil der Debatte.

Die Debatte um eine Vermögensabgabe ist in der Corona-Krise neu entflammt. Dabei wird häufig das Lastenausgleichsgesetz zum Vorbild für eine Corona-Abgabe stilisiert. Sie soll starke Schultern verpflichten, mehr Lasten zu tragen, um wirtschaftliche und soziale Folgen der Corona-Pandemie auszugleichen. In der Debatte wird darauf verwiesen, dass auch das Lastenausgleichsgesetz abgeleitet wurde aus der sozialen Idee Ludwig Erhards von der Marktwirtschaft. Dennoch bin ich skeptisch, ob ein Lastenausgleichsgesetz 2.0 in der aktuellen Situation ein sinnvolles Instrument wäre.

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Lastenausgleich wie 1952?

Das Lastenausgleichsgesetz von 1952 war ein zentraler sozialpolitischer Baustein in der jungen Bundesrepublik. In der Präambel des Gesetzes hieß es, man anerkenne einen als Folge des Krieges zu leistenden Ausgleich von Lasten, der sowohl die soziale Gerechtigkeit als auch die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtige. Begünstigt waren Menschen, die von Kriegssachschäden oder Vertreibungsschäden betroffen waren. Das Lastenausgleichsgesetz machte Sachvermögen über 5 000 Mark, das am Stichtag der Währungsreform bestand, zu 50 Prozent abgabepflichtig.

Diese Abgabe war nicht auf einen Schlag fällig, sondern war über einen Zeitraum von 30 Jahren zu entrichten. Es war also eher eine Sondersteuer auf Vermögen und griff in der Regel nicht in die Vermögenssubstanz ein, sondern konnte aus den Erträgen bezahlt werden. Das Lastenausgleichsgesetz leistete Entschädigung für Vermögen (Immobilien, Firmen, Fabrikanlagen....), stellte Ersatz für Hausrat zur Verfügung, bewilligte unter bestimmten Bedingungen eine Kriegsschadensrente. Daneben enthielt es Bestimmungen für ein zinsbegünstigtes Eingliederungsdarlehen, Darlehen zum Erwerb von Wohneigentum und Regelungen zur Wohnraumhilfe.

Andere Zeiten

Doch ist die aktuelle Corona-Pandemie eine andere Situation und nicht mit den Nachkriegsjahren gleichzusetzen. Wir haben verlässliche und solide Sozialsysteme, die sich bereits in der Finanzkrise 2008/2009 behauptet haben und nun auch in der Corona-Krise soziale Härten abwenden und für einen breiten gesellschaftlichen Ausgleich sorgen: So trägt das Kurzarbeitergeld dazu bei, dass die Arbeitslosenzahlen nicht signifikant steigen. Auch hat der Gesetzgeber umfangreiche Unterstützungsleistungen beschlossen. Die Kraftanstrengungen des Staates sind enorm. Das können wir deshalb, weil wir in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet haben. Und wir dürfen hoffen, ähnlich gut aus der gegenwärtigen Krise herauszukommen, wie wir vor zehn Jahren aus der Finanzkrise herausgekommen sind – mit einem neuen Wachstumsschub, der uns hilft, die Defizite in den öffentlichen Haushalten und die Schulden zurückzuführen.

Steuerschlupflöcher für Pandemie-Profiteure

Statt über eine Vermögensabgabe zu debattieren, sollten wir vielmehr eine Debatte darüber anstoßen, warum Unternehmen, die von der Pandemielage profitieren, noch immer Steuerschlupflöcher nutzen und sich damit aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stehlen können. Wir sollten darüber diskutieren, warum einige Firmen mehr Erstattung durch den Staat bekommen, als sie im Jahr Steuern bezahlen. Wir sollten über Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft und Good Corporate Citizenship diskutieren. Das wäre auch deshalb wichtig, damit der Begriff „liberal“ nicht zum Wieselwort für verantwortungslos, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und egozentrisch wird. Auch für Liberale sollte gelten: Der wichtigste Körperteil ist nicht der Ellenbogen. Oder sollte es keinen empathischen Liberalismus geben? Die Ordoliberalen jedenfalls haben diese veraltete Form des Liberalismus abgelehnt.

Dekonzentration von Vermögen

Darüber hinaus sollten wir auch eine gerechtere Vermögensverteilung anstreben mit dem Ziel, eine ausgewogene Gesellschaftsstruktur zu erreichen. Die Vermögensverteilung in Deutschland ist ungleich und ungerecht. Statt auf eine Vermögensabgabe sollten wir daher auf eine Dekonzentration von Vermögen durch die Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen setzen. Die Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital entspricht dem Geist der Sozialen Marktwirtschaft. Mit ihr kann die Konzentration wirtschaftlicher Macht verhindert werden mit dem Ziel einer breiteren Verteilung der Vermögen. Denn die von Ludwig Erhard formulierte Losung des „Wohlstands für alle“ setzt voraus, dass auch die weniger gut gestellten Menschen vom wirtschaftlichen Aufschwung profitierten – nicht nur durch höheren Konsum, sondern vor allem dadurch, dass sie Vermögen aufbauen und Eigentum bilden können. Das ist der tiefere Sinn der Wirtschaftsdemokratie.

Stabile Sozialsysteme

Heute ist nicht die Zeit für eine Vermögensabgabe nach dem Vorbild des Lastenausgleichsgesetzes. Wir haben eine völlig andere Situation als in den Nachkriegsjahren und wir können uns dank einer soliden Wirtschaft auch stabile Sozialsysteme leisten. Wohl aber ist es an der Zeit für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem. Ich plädiere daher sowohl für ein Steuersystem mit weniger Schlupflöchern als auch für eine breitere Vermögensverteilung durch eine bessere Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen. Beide Maßnahmen wären viel nachhaltiger als eine einmalige Abgabe, da sie auch weit nach der Corona-Zeit ihre Wirkung entfalten könnten.

Der Autor ist CDU-Bundestagsabgeordneter und hessischer Landesvorsitzender sowie stellvertretender Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Der Katholik, der als Honorarprofessor Politikwissenschaft an der Uni Köln lehrt, veröffentlichte 2020 das Buch „Person und Ordnung. Einführung in die Soziale Marktwirtschaft“ (Herder).

Den Beitrag zum ersten Teil der Debatte finden Sie hier.

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