Kolumne

Chinas unfreie Marktwirtschaft

In China gibt es neben starken planwirtschaftlichen Elementen, auch privatwirtschaftliche Firmen, private Eigentumsrechte und Wettbewerb.
Die Pandemie durchkreuzte die Pläne von Xi.
Foto: Mark Schiefelbein (AP) | Die Pandemie durchkreuzte die Pläne von Xi.

Autoritärer Staat und Marktwirtschaft passen nicht zusammen: Diese lang gehegte Annahme gerät angesichts der Wirtschaftsordnung in China gehörig ins Wanken. Denn die Präambel zur Verfassung der Volksrepublik formuliert die „sozialistische Marktwirtschaft“ und die sozialistische Demokratie als Säulen ihres Gesellschaftsbildes. Der Demokratiebegriff mag etwa im Blick auf die „DDR“ nicht verwundern – Anderes gilt für die Marktwirtschaft. Zumal der in China praktizierte Sozialismus sich als Ein-Partei-Diktatur zeigt.

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Die chinesische Symbiose

China beansprucht für seine Wirtschaft eine neue Symbiose: Es gibt neben starken planwirtschaftlichen Elementen, wie hoch subventionierten Staatsunternehmen, staatlicher Banken und Geldpolitik auch privatwirtschaftliche Firmen, private Eigentumsrechte und Wettbewerb. Chinas Staatschef Xi Jinping würdigte schon 2014 mit Verweis auf den Begründer der Marktwirtschaft, Adam Smith, die „unsichtbare Hand“ des Marktes und forderte deren Wirksamkeit für Effizienz und Allokation. Das ZK der KP stufte im gleichen Jahr die Bedeutung der Marktwirtschaft von „grundlegend“ auf „entscheidend“ hoch. Nicht nur der gewählte Name dieser Ordnung lässt eine Nähe zur Sozialen Marktwirtschaft assoziieren. Gleiches gilt für den Anspruch des Stilgedankens, wie wir ihn von Alfred Müller-Armack kennen. Auch Xi sieht die Ziele zum „Aufbau von Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft, einer ökologischen Zivilisation und anderer Bereiche“ untrennbar miteinander verbunden. Und von der KPC als oberste Ziele proklamiert werden Wohlstand und Harmonie. Auch da denken wir sofort an Ludwig Erhard und die irenische Idee des sozialen Friedens bei Müller-Armack.

Doch solche vermeintlichen Analogien führen in die Irre. Das beweist ein Blick auf die unterstellte Wertebasis der chinesischen Wirtschaftsordnung. Für Xi gelten folgende Grundprinzipien: „Festhalten am sozialistischen Weg, an der demokratischen Diktatur des Volks, an der Führung durch die KP Chinas sowie am Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen.“ Ein neuer Kollektivmensch soll die nützlichen Elemente der Marktwirtschaft als sozialistische adoptieren: natürlich ohne freiheitliche Werte und jenseits von Religion.

Dem Parteiwillen dienen

Opferbereit dienen die neu modellierten Menschen dem Parteiwillen, der alternativlos das Wohl des Volkes repräsentiert. Eigennützige Motive dürfen einfließen, wenn sie dem kollektiven Ziel dienen – das ist neu. Und so erzielte Innovationen schaffen dann materiellen Wohlstand, der als Freiheit gilt. Harmonie bedeutet die Beseitigung der Pluralität. Die digital umfassend überwachten Menschen müssen „sagen, was wahr, gut und schön ist, was falsch, böse und hässlich ist, was anerkennenswert und lobenswert ist und was abzulehnen und abzustreiten ist“. Und was das ist, sagt die Partei. Insgesamt ist das ausdrücklich erklärte Ziel die „Umgestaltung der Welt durch die KP Chinas“. Lassen wir uns also nicht täuschen von schön klingenden Worten und Zielen.

Der Autor ist katholischer Priester sowie Professor für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Die Kolumne erscheint in Kooperation mit der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Sozialstelle (KSZ) in Mönchengladbach.

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